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meister. Nach einer Reform des Kommunalwahlrechts wurden damals zum ersten
Mal die Bürgermeister größerer Gemeinden direkt vom Volk gewählt. Sie erhiel-
ten damit eine Legitimation, die der Regierung in den Augen der Öfentlichkeit
fehlte. Es war natürlich ein Trugschluss, dass eine politische Erneuerung der Na-
tion von den Bürgermeistern (die außerdem den unterschiedlichsten Parteien an-
gehörten) ausgehen konnte. Die öfentliche Reaktion zeigte jedoch, wie stark die
historische Rolle der Städte nach wie vor im gesellschatlichen Bewusstsein ver-
ankert ist.
Fast 2000 Jahre prägten in Nord- und Mitelitalien die Städte die Geschichte
des Landes. Im Mitelalter befreiten sich viele Kommunen von den Feudalherren
wie von der Macht des Klerus. Die neuen Machthaber gerieten aber immer
wieder in Konlikt mit denen der Nachbarstädte und mit dem Kaiser im fernen
Deutschland. Der zog regelmäßig nach Italien, um zu zeigen, wer Herr im Staate
war. Was nicht immer gelang: 1176 siegte bei Legnano in der Nähe von Mailand
eine Liga lombardischer Städte gegen Kaiser Barbarossa. Dieser Sieg wird heute
noch mit einem Kostümfest, großen Umzügen, bei dem der Streitwagen ( carroc-
cio ) im Mitelpunkt steht, und einem Pferderennen gefeiert. Genau 801 Jahre nach
der Schlacht von Legnano habe ich ausgerechnet in jener Stadt geheiratet. Aber
das ist eine ganz andere Geschichte (und eine ganz andere Schlacht)…
Fellini und Flaneure
Der Tourismus kann eine ganz Stadt in den Bann ziehen, das kennt man aus Ve-
nedig. Aber es gibt eine andere Stadt in Italien, die geradezu ein Symbol für
Reiselust und für Ferien am Meer geworden ist - im negativen wie im positiven
Sinn: Rimini mit seinen rund 145000 Einwohnern. Mir ist die Stadt trotz aller
Beschimpfungen als (ehemaliger) »Teutonengrill« oder als Symbol für den
Massenurlaub richtig sympathisch, weil sie ehrlich bleibt in ihrer touristischen
Anmutung, mit Tradition und viel Kultur aufwarten kann und einen freundlichen
Menschenschlag beherbergt. Gleich hinter der fröhlich lauten Strandpromenade
liegt blendend weiß das berühmte »Grand Hotel«, das der südamerikanische Ar-
chitekt Paolo Somazzi 1908 mit viel Ornament wie ein Barockschloss entworfen
hat. Es bot gekrönten Häuptern, dem weltweiten Geldadel und überhaupt allerlei
Prominenz in Zimmerluchten mit venezianischen Möbeln aus dem 19. Jahrhun-
dert eine ganz und gar unbescheidene Unterkunt zur Sommerfrische.
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