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Die Piazza und der Klang der Städte
Lebensstile und Stadtentwicklungen
Der Verkehr braust vorüber. Autos, Motorini, dazwischen Busse, die an der Hal-
testelle nur so kurz anhalten, dass die Menschen kaum Zeit zum Ein- und
Aussteigen haben. Es wird gehupt, ein Mofafahrer schimpt hinter einem Auto her,
das ihn abgedrängt hate. Ein paar Schrite weiter sitzen Gäste beim Aperitif an
den Tischen unter den Arkaden des Palazzo Enzo, Kinder stochern mit ihren
Trinkhalmen zwischen den Eiswürfeln in der Cola, zwei Fahrradfahrer unterhalten
sich angeregt an den Stufen zur Piazza Maggiore, vor dem Dom hockt ein
Liebespärchen, und irgendwo spielt jemand Gitarre. Touristen gehen mit
aufgeschlagenem Reiseführer umher: Im Palazzo Enzo lebte mehrere Jahrzehnte
lang Re Enzo, der Sohn des Stauferkaisers Friedrich II., samt Hofstaat »inhatiert«.
Diese Piazza ist für Volksversammlungen geschafen worden, erst später
entschloss man sich, hier auch einen Dom zu bauen, und strit sich über die Größe
mit dem Papst. Eine Gedenktafel erinnert an die Befreiung Bolognas vom Faschis-
mus durch Alliierte und Partisanen. »Ich häte jetzt gern ein Eis«, sagt eine Tour-
istin und klappt ihren Reiseführer zu.
Kein Zweifel, die italienische Lebensart, ihre vielfältigen Ausdrucksformen und
ihr Verhältnis zur Geschichte spiegeln sich nirgends so anschaulich wider wie auf
der Piazza. Jeder italienische Ort, in Großstädten jedes Viertel, hat mindestens ein-
en zentralen Platz. An diesem Platz liegen wie in einem begehbaren Geschichts-
buch eine wichtige Kirche, Regierungspaläste vom Rathaus bis zum repräsentat-
iven Sitz früherer Herrscher, mindestens eine Bar oder ein Café und eine Osteria.
Dazu kommen je nach Anlage Denkmäler, Geschäte, Büros, Wohnungen. Nicht
selten wird auf dem Platz auch Markt gehalten.
Mehr als in anderen westeuropäischen Ländern, die natürlich auch eine Kultur
der Plätze kennen, konzentriert die südeuropäische, die italienische Piazza das
Leben einer Stadt. Hier trit man sich - zufällig oder weil man sich verabredet
hat -, sonnt sich auf den Stufen der Kirche oder den Treppen eines Palazzos,
diskutiert in den Cafés, genießt die Ruhe oder fühlt sich wohl in der Hektik.
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