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In der Toskana, zumal in Florenz, wo gegen Ende des Zweiten Weltkriegs fast
alle Brücken über den Arno von der Wehrmacht gesprengt wurden, lösen
deutsche Spuren ot Nachdenklichkeit, ja Beschämen aus. Im Palazzo Piccolomini
von Pienza hängt aus dem Jahr 1943 ein schritlicher Befehl der Militärkommand-
antur 1003, Außenstelle Siena, unterschrieben von Generalfeldmarschall Albert
Kesselring: »Dieses Bauwerk mit seiner gesamten Ausstatung steht als Kun-
stdenkmal unter deutschem Schutz!« Waren auch die Deutschen hier anders?
Der General, der sich selbst als Kulturreter verstand, war später verantwortlich
für eine Reihe von mörderischen Übergrifen auf die Zivilbevölkerung in Italien
(siehe Seite 136), während sich Widerstandskämpfer auch in Pienza den
Okkupanten mit Wafengewalt widersetzen: »Beseelt von inbrünstiger Vaterland-
sliebe und gestützt durch unumstößlichen Glauben an die Ideale der Freiheit!«,
heißt es auf einer Tafel an der Piazza, die an die Kamphandlungen zwischen Par-
tisanen und der Wehrmacht Hitlers am 6. April 1944 in der nahen Gemeinde
Monticchiello erinnert.
Monticchiello ist in den vergangenen Jahren durch sein teatro povero bekannt
geworden. Bauern führen dort im Sommer unter Anleitung eines Lehrers und
eines Journalisten selbstentworfene Alltagsstücke auf der Piazza auf. Inzwischen
haben die Inszenierungen etwas von ihrer Spontaneität verloren und werden von
der Tourismusbehörde gesponsert. Der warme Geldregen hat den 300-Seelen-Ort
jedoch am Leben gehalten. Zehn Monate lang im Jahr geht es hier noch so ver-
schlafen zu wie vor der Landlucht und der folgenden Touristeninvasion in vielen
anderen Dörfern und Städtchen der Toskana.
Ein Berg voller Geschichten
Der Monte Amiata ist ein erloschener Vulkan, von dessen Gipfelkreuz
(1738 Meter) man an klaren Tagen weit nach Umbrien, Latium und über die
Ebene der Maremma bis zum Meer blicken kann. Er hat auf mich immer eine
stille Faszination ausgeübt. Hierher zogen sich im Mitelalter Häretiker wie Fra
Dolcino und seine Männer zurück. Der sonderbare Mönch ist allen Umberto-Eco-
Lesern aus »Der Name der Rose« bekannt. An denselben Hängen predigte im
19. Jahrhundert Davide Lazzareti, ein wortgewaltiger Bötcher aus dem Dorf
Santa Fiora. Als »wiedererstandener Christus« rief er zur Abschafung des Priv-
ateigentums auf - und brachte so Kirche und Staat gegen sich auf. Im Jahr 1878,
als er an der Spitze seiner Anhänger vom nahen Monte Labbro von einer Prozes-
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