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noch länger als 6,4 Millimeter ( ino - wenn sie dann noch besonderen ualitäts-
merkmalen entsprechen, dürfen sie sich superino nennen). Vialone Nano, der
Modereis der Neunzigerjahre, ist ein semiino . Aber er ist eher in Mantua oder bei
Verona zu Hause, wo es ebenfalls kleine Reisanbaugebiete gibt. Wenn man in den
Reismühlen von Vercelli, wo der Rohreis von seinem äußeren Mantel befreit und
bis auf seinen weißen Kern geschält wird, nach erster ualität fragt, bekommt
man die heimischen Sorten Arborio, Baldo oder Carnaroli (alle superino ) ange-
boten.
Im Sommer 1948 drehte der italienische Kinoregisseur Giuseppe De Santis in den
Reisfeldern zwischen Turin und Mailand den Spielilm »Riso Amaro« (»Biterer
Reis«). Als der Film ein Jahr später in die Kinos kam, löste er hetige Debaten
aus. Den einen war er zu romantisch, weil er eine melodramatische
Liebesgeschichte in den Mitelpunkt stellte und De Santis die Hauptdarstellerin
Silvana Mangano mit hochgerollten Shorts und eng ansitzendem Wollhemd zum
ersten Sexsymbol des europäischen Nachkriegsilms machte. Den anderen war
dieses Meisterwerk des Neorealismus zu politisch, weil es den Kampf der
mondine , der Reisarbeiterinnen, um den Acht-Stunden-Tag zeigte. Die mondine
bildeten ein Heer von Plückerinnen, denen es oblag, bei Regen oder unter sen-
gender Sonne im Wasser stehend das Unkraut zu jäten. Sie waren Saisonarbeiter-
innen, die meistens aus Venetien stammten und sich ausbeuterischen Methoden
erwehren mussten. Weil bei der Arbeit nicht geredet werden durte, diskutierten
die mondine singend.
Lasertechnik und neue Anbaumethoden haben die Plückerinnen inzwischen
fast überlüssig gemacht. Wenn man durch die Anlagen eines Reisgutes wie der
Cascina Venería geht (das zur Zeit der Dreharbeiten der Familie Agnelli gehörte),
liegen die meisten Gebäude verlassen da. Heute sind hier nur noch 14 Personen
beschätigt. Damals wohnten rund 1000 Menschen auf dem Gut. Für sie gab es
eine eigene Kirche, ein Schulgebäude, eine Meierei, daneben Stallanlagen und
eben Schlafräume für die mondine , die im Juli kamen und bis Ende August, An-
fang September blieben. Die Reisgüter haben sich entleert, aber die von vielen
Kanälen durchzogene Landschat unterhalb des mächtigen Alpenkranzes hat sich
kaum verändert. Wenn die Felder unter Wasser stehen, spiegelt sich in ihnen der
Himmel auf Erden.
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