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togrammjägern, zum nächsten Termin. Gianna fragte: »Wer bestimmt eigentlich
die Modefarben?« Gute Frage. Die Experten wissen das auch nicht so genau. Ir-
gendwie liegen solche Dinge in der Lut, wie die Frage nach der Rocklänge oder
die Entscheidung über den freien Bauchnabel. Dabei haben heute viele Stile
nebeneinander Platz. Man braucht nur in die Mailänder Nobelboutiquen im
»Goldenen Viereck« hinter dem Dom bei der Via Montenapoleone und der Via
della Spiga zu gucken, um sich vom Pluralismus zu überzeugen. Oder sich die
meist geschmackvoll gekleideten Italienerinnen (wo lernen die das bloß?) anzuse-
hen. Und dennoch hat jeder Frühling seinen ganz eigenen Stil, jeder Herbst seine
besonderen Farben.
Santo Versace sagte einmal: »Es gibt so etwas wie eine Grundstimmung,
manche erkennen sie früher, andere später.« Und ein Stofeinkäufer, der, würde
er die falschen Farben kaufen, seinen Laden schließen müsste, antwortete nur:
»Sie wollen wissen, wer die Farben der Saison bestimmt? Das ist eine Einrich-
tung, die Mode heißt.« Gianna und ich, wir sind bis heute nicht viel klüger ge-
worden.
Die neuen alten Farben von Rom
Da haben es die Kunsthistoriker einfacher. Sie können anhand von alten Doku-
menten entscheiden, welche Farbe etwa die Fassaden der Stadtpaläste in welchem
Jahrhundert zierten. Und seitdem man sich intensiver damit befasst, werden die
italienischen Städte bunter. Vor dreißig Jahren war Rom noch eine vor allem von
Rotbraun bestimmte Stadt. Jedes Mal, wenn ich heute an den Tiber fahre, ent-
decke ich neue Farben an den Häusern. Sogar die Fassade des Petersdoms sieht
inzwischen anders aus als früher. Die Säulen und das Dachgeschoss leuchten in
Travertinweiß, die anderen Bauteile sind in hellem Sandbraun gehalten. Und um
die zentrale Loge, auf welcher der Papst an hohen Feiertagen den Gläubigen er-
scheint, schimmern zwei kleine Säulen in Rot vor einer blassgrünen Wand.
Mit dieser »Verschönerung« der riesigen Fassade häten der Kitsch und die
Fernsehkultur über die Kunstgeschichte gesiegt, schimpfen Kritiker wie die Rohr-
spatzen. Die Restauratoren bestehen dagegen darauf, dass sie die Originalfarben
ans Licht gebracht haben. So wie sie der Baumeister Carlo Maderno gewollt habe,
als er die fußballfeldgroße Fassade um 1612 vor der größten und wichtigsten
Kirche der katholischen Christenheit errichten ließ.
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