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Doch der Eindruck, die Gemeinde sei eine deutschsprachige Nationalitäten-
kirche, täuscht. Sie ist zwar vor 150 Jahren als Ausländerkirche gegründet
worden. Inzwischen hat aber die italienische Sprache aufgeholt und ist ein
gleichberechtigter Bestandteil im Alltag wie im Gotesdienst geworden. Ents-
prechend eng sind die Kontakte mit anderen protestantischen Kirchen, vor allem
mit den Waldensern. Aber auch Katholiken, ot als Ehepartner, sind im Ge-
meindeleben integriert. So wird die Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche
in einem Ökumenischen Kirchenrat Mailands, in dem 14 christliche Konfessionen
vertreten sind, nicht nur vom lutherischen Pfarrer gelobt.
Diese positive Erfahrung gilt ebenso für andere lutherische Gemeinden in Itali-
en zwischen Südtirol, Sizilien und neuerdings sogar Sardinien. Die italienischen
Lutheraner der ELKI gehören ihrerseits zu einem Bund evangelischer Kirchen in
Italien, in dem unter anderen Waldenser, Methodisten und Baptisten vertreten
sind. Insgesamt zählen dazu rund 50000 Gläubige, eine ganz kleine Insel im schi-
er unendlichen katholischen Ozean. Vor einigen Jahren haben die Lutheraner in
einem Vertrag mit dem italienischen Staat oiziell die Anerkennung als Reli-
gionsgemeinschat erhalten. Sie können deshalb jetzt am Verfahren der sogenan-
nten Kultursteuer oto per mille (acht pro tausend) teilnehmen. In Italien gibt es
keinen automatischen Kirchensteuereinzug, sondern jeder Steuerzahler kann sich
entscheiden, ob er 0,8 Prozent seiner Steuersumme einer bestimmten Kirchenge-
meinschat (oder dem Staat für Sonderprojekte) zukommen lassen möchte.
Erstaunt blätert man die Abrechnung der oto per mille durch: Rund 45000
Italiener haben sich regelmäßig für die lutherische Kirche entschieden, obwohl
die ELKI nur etwas mehr als 7000 Mitglieder zählt. Was steht hinter diesem Er-
folg? In Mailand, der größten lutherischen Gemeinde Italiens, ist zum
150. Jahrestag der Gründung eine Festschrit erschienen. Sie betont die Interna-
tionalität der Chiesa Protestante, die Raum für Begegnungen verschiedener Kon-
fessionen in verschiedenen Sprachen schafen konnte. Damit habe sie sich »von
einem historischen Sonderfall in einen gesellschatlichen Glücksfall« gewandelt.
Von der evangelischen Kirche sind es nur ein paar Schrite zur Via Moscova,
Ecke Piazza Sant'Angelo und zum San-Francesco-Brunnen mit seinen Blumen.
Der Blumenhändler, der vielleicht den originellsten Standplatz Italiens hat,
erzählte mir die Geschichte von den Goldischen. Im Zweiten Weltkrieg nämlich,
als in einer Nacht im August des Jahres 1944 die ersten Bomben auf Mailand
ielen - am nächsten Morgen waren große Teile der Innenstadt mit ihren Kul-
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