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Noch reicht der Arm der Kirche jedoch nicht überallhin. Als vor ein paar
Jahren eine Autokolonne mit sieben Bischöfen in eine Radarfalle geriet - stat der
erlaubten 90 Stundenkilometer waren sie immerhin mit Tempo 137 auf dem Weg
zur Bischofskonferenz nach Rom über die Landstraßen gerast -, küsste ein her-
beigeeilter Polizist zwar die Ringe der Eminenzen, zückte aber dann seinen Block
mit den Strafzeteln und nahm den Fahrern der eiligen Geistlichkeit außerdem
noch die Führerscheine ab.
Vom Sonderfall zum Glücksfall
Unter der überwiegend katholischen Bevölkerung fallen Andersgläubige kaum
auf. Dennoch gibt es sie, und die wachsende Zahl von Muslimen etwa führt
manchmal zu Irritationen in der Bevölkerung. Man zählt rund eine Million zuge-
wanderte Islamanhänger, die 130 Gebetsstellen und etwa ebenso viele Kulturzen-
tren unterhalten. Regelrechte Moscheen gibt es bislang nur in Rom (die größte
Europas), Mailand und Catania. Und es gibt bereits Italiener, die ähnlich wie in
Deutschland bei der Debate um eine angebliche Leitkultur die cultura dominante ,
die herrschende Kultur, verteidigen möchten. Was das sei, erklärte Kardinal Giac-
omo Bii, der Erzbischof von Bologna. In einem Hirtenbrief warnte er vor den
bedrohlichen politischen Einlüssen des Islam in Italien und rief zum Schutz der
italienischen Identität auf, die auf dem Katholizismus beruhe.
Von kleinen Aufgeregtheiten abgesehen, kommen die verschiedenen Religion-
en in Italien jedoch gut miteinander aus. Traditionell spielt die jüdische Ge-
meinde, vor allem die römische, in den Augen der Öfentlichkeit eine besondere
Rolle. Weniger öfentlich, dafür aber nicht weniger interessant ist die Rolle der
Lutheraner. In der kleinen Sakristei der protestantischen Kirche Mailands
standen im Oktober 2000 viele Personen dichtgedrängt beim Aperitif: ein Kardin-
al und mehrere Bischöfe verschiedener Konfessionen, Diplomaten und Politiker,
Journalisten und Wirtschatsvertreter. Gefeiert wurde ein besonderes Datum: Am
10. Oktober 1850 haten Christen aus Deutschland, der Schweiz und anderen
Ländern eine protestantische Gemeinde unter dem etwas umständlichen Namen
Chiesa Cristiana Protestante in Milano gegründet. Die Chiesa gehört damit nach
Venedig, Triest und Rom zu den älteren der inzwischen 17 lutherischen Ge-
meinden in Italien, die heute in der ELKI, dem Verband der evangelisch-
lutherischen Kirchen in Italien, zusammengefasst sind.
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