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öfentlichen Kult mit dem Grabtuch. 1578 brachte es Emanuele Filiberto von Sa-
voyen nach Turin, seinem neuen Herrschatssitz. Rund 120 Jahre später ließ man
von Guarino Guarini die beeindruckende Grabtuchkapelle bauen. 1898 wurde es
zum ersten Mal fotograiert. Als Secondo Pia, der Fotograf, die Negativplaten
sah, auf denen der »Negativabdruck« des Tuches wie ein Positiv wirkte, »traf ihn
beinah der Schlag« - wie die Annalen berichten -, weil er glaubte, das Abbild
Christi vor sich zu sehen. Mit dem Tod von Umberto von Savoyen ging die Reli-
quie 1983 nach dem testamentarischen Willen des letzten italienischen Königs in
den Besitz des Vatikans über.
In der Savoyer-Kirche San Lorenzo, gleich neben dem Dom, kann man in der
Sakristei in aller Ruhe die besagte Fotograie des Grabtuchs in Originalgröße se-
hen. Grabtuchforscher wie Bruno Barberis, der an der Universität Turin Mathem-
atik und analytische Physik unterrichtet, sind sich inzwischen sicher: Das Abbild
des Körpers kann nicht gemalt sein. Allerdings bleibt auch nach jüngsten Unter-
suchungen, bei der das Grabtuch gereinigt und von einem Stützgewebe gelöst
wurde, ofen, wie es überhaupt zu diesem Abbild kommen konnte. Barberis, der
das Turiner Zentrum für internationale Sindonologie leitet, erläutert in einem
Gespräch, dass die letzten wirklich grundlegenden Untersuchungen an dem Tuch
1978 statgefunden häten. Inzwischen sei die Technologie mit Siebenmeilen-
stiefeln fortgeschriten und umfassende neue Analysen nötig.
Auch eine Radiokohlenstofdatierung aus dem Jahr 1988 bleibt umstriten, bei
dem drei voneinander unabhängige Institute das Tuch auf einen Zeitraum zwis-
chen 1260 und 1390 datierten. Barberis fordert eine Neuuntersuchung, denn 1988
sei es zu »gravierenden Unregelmäßigkeiten« gekommen. Pollenanalysen haben
außerdem ergeben, dass das Tuch aus dem Mitelmeerraum stammen kann. Sie
sagen allerdings nichts über die Datierung des Materials aus. Und schon gar
nichts darüber, was Pilger glauben wollen oder nicht.
Jeder solle diese Frage für sich entscheiden, formuliert Suor Giuliana Galli et-
was vorsichtiger. Die fast achtzigjährige Schwester der Gemeinschat des heiligen
Giuseppe Cotolengo ist eine herausragende Persönlichkeit des religiösen Turins,
das sich spiegelbildlich zum Industriestandort, zur Stadt der Arbeiterbewegung,
der Klassenkämpfe und der Sozialkonlikte entwickelt und die Tradition der
»Sozialheiligen« hervorgebracht hat.
In diese Tradition gehören besonders in der Sozialarbeit tätige Priester und Or-
densgründer sowie karitativ tätige Katholiken aus dem 19. Jahrhundert, die von
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