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Während im Süden das rote Horn ganz ofen getragen wird und Neapel als die
Hauptstadt des volkstümlichen Aberglaubens gilt, ist auch der Norden nicht frei
von mystischen Versuchungen. In keiner Stadt gibt es so viele Magier wie etwa in
Turin. Die piemontesische Regionalhauptstadt soll zusammen mit Prag und Lyon
ein esoterisches Dreieck bilden. Auf der Domfassade ist - einzigartig auf der Welt
für einen christlichen Bau - eine astrologische Sonnenuhr dargestellt. Und im
Gewölbe unter der Kirche Gran Madre soll das Geheimnis des Heiligen Grals ver-
borgen sein. Wenn es außerdem den Stein der Weisen wirklich gibt, dann könnte
er den Auguren nach in Turin unter der Kirche San Filippo Neri liegen. Kein
Wunder, dass die Stadt nicht nur die meisten Zauberer, sondern auch die meisten
Philosophen Italiens hervorgebracht hat.
Das Grabtuch von Turin
So kann man sich die Hölle vorstellen: Vom Königsschloss der Savoyer aus war
in der Nacht vom 11. auf den 12. April 1997 ein Brand in Windeseile in die Cap-
pella della Sacra Sindone übergeschlagen. In der ganz mit schwarzem Marmor
verkleideten Kapelle, die wie ein Scharnier den Turiner Dom mit dem Schloss
verbindet, entwickelten sich unter einem frisch restaurierten Weterschutz aus
Blei infernalische Temperaturen. Die Metallpfeifen der Orgel verlüssigten sich,
und Marmorquader zerplatzten zu Kristallen. Buchstäblich Sekunden bevor das
Inferno losbrach, konnten Feuerwehrleute unter Einsatz ihres Lebens den hinter
Panzerglas aubewahrten Reliquienschrein bergen. Sonst wäre die darin beind-
liche bedeutendste Reliquie der katholischen Welt ein Opfer der Flammen ge-
worden: La Sacra Sindone , das sogenannte Heilige Grabtuch, das von Gläubigen
als Leichentuch Christi verehrt wird.
Das Tuch, vor dem Zehntausende Menschen mehrere Stunden Schlange
stehen, um es bei öfentlichen Ausstellungen wie zuletzt 2010 drei Minuten lang
aus der Nähe zu sehen, ist 4,36 Meter lang und 1,10 Meter breit. Den Brand von
1997 hat das historische Leinen unbeschadet überstanden. Zwischen Flicken und
Verkohlungen eines älteren Brandschadens von 1532 im französischen Chambéry,
dem früheren Herrschersitz der Savoyer, ist in rötlich-grauen Umrissen, die wie
ein Negativabdruck wirken, der doppelte Abdruck (Vorder- und Rückseite) eines
bärtigen Mannes zu sehen. Die Geschichte des Tuches geht bis ins 14. Jahrhun-
dert zurück, in dem es als Besitz einer französischen Adelsfamilie dokumentiert
wurde, die es dann 1453 an die Savoyer abtrat. 1506 gestatete Papst Julius II. den
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