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vorübergegangen war. Der Richter, der nicht abergläubisch war, aber um seiner
Autorität willen auf den Volksglauben Rücksicht nehmen musste, wollte nun den
Mann zur Rücknahme seiner Klage bewegen. Der allerdings war dazu ganz und
gar nicht bereit. Er hate sogar den Anwälten der Gegenpartei »Beweise« in die
Hände gespielt, dass er wirklich über die Macht des bösen Blickes verfügte. Er,
ein Außenseiter ohne Arbeit und Einkünte, wollte nämlich verurteilt werden,
wie er dem Richter erklärte. »Mir bleibt keine andere Möglichkeit, als meinen
bösen Blick zum Beruf zu machen.« Mit der Verurteilung als gleichsam richterli-
chem Patent ausgestatet, würde er in der Öfentlichkeit autreten. »Ich werde
nichts zu sagen brauchen. Man wird mir Geld geben, damit ich wieder fortgehe!
Ich werde um alle Fabriken streichen; ich werde mich vor den Läden aufplanzen;
und alle, alle werden mir die Steuer entrichten.«
Nun könnte man sagen, die Zeit von Luigi Pirandello (1867-1936) ist lange
vorbei. Aber als Mite der Siebzigerjahre der aus Neapel stammende Staatspräsid-
ent Giovanni Leone ein Krankenhaus seiner Heimatstadt besuchte, begrüßte er
freundlich die Kranken - hinter seinem Rücken machte er aber sicherheitshalber
das Hornzeichen. Und auch Berlusconi ließ es sich während seiner zweiten Amt-
szeit nicht nehmen, beim Gruppenbild einer internationalen Tagung das
Hornzeichen zu machen. Zum Scherz, versteht sich - und viele fragten sich:
Spielt er nur den Polit-Clown, oder ist er einer?
Wer sich heute durch die vielen Stationen des Privatfernsehens zappt, wird im-
mer wieder auf den einen Magier oder die andere Magierin stoßen, die aus
Karten lesen, Anrufern Ratschläge erteilen oder in eine Puppe, die den Träger des
bösen Blicks symbolisiert, Nadeln stechen, um den malocchio zu bannen. Wir
leben im Zeitalter der Superchips und des Internets, aber welcher (Süd-)Italiener
wird sich nicht etwas Salz über die Schulter werfen, wenn er aus Versehen einen
Salzstreuer umgekippt hat? Man hütet sich vor schwarzen Katzen (und wenn sie
einem über den Weg laufen, macht man le corna ).
Als Unglückszahl zählt nicht so sehr die Dreizehn, sondern die Siebzehn. Viel-
leicht hat das etwas mit der römisch-antiken Schreibweise XVII zu tun, ein Ana-
gramm vom lateinischen Wort »VIXI«, das heißt »ich lebte«. Wer das von sich
sagt, hat sein Leben also schon hinter sich. Wenn ich daran denke, dass ich an
einem Siebzehnten geboren wurde und mir jeden Morgen unsere beiden schwar-
zen Hauskatzen Coco und Rufus über den Weg laufen, balle ich lieber schnell die
Faust und spreize Zeigeinger und kleinen Finger ab.
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