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pretation Protest von katholischer Seite ausgelöst, aber auch Zustimmung unter
einigen Franziskanern gefunden. So bringt dieser Heilige immer wieder Leben in
die Kirche. Mal fordert man in seinem Namen Reformen, mal dient er dazu,
aufmüpige heologen zur Ordnung zu rufen. Weil er sich nicht wehren kann, be-
nutzt ihn jeder für seine Zwecke. Glaube und Aberglaube, Religion und Politik,
Heiliges und Profanes - in Italien sind das Widersprüche, die gut miteinander
auskommen. Und deshalb war es auch ein kleiner Geniestreich, als der neue
Papst José Mario Bergoglio aus Argentinien, der nach dem Amtsverzicht von Be-
nedikt XVI. gewählt wurde, sich den Namen Franziskus gab.
Aberglaube ist auch ein Glaube
Es ist keineswegs immer alles heilig, was nach Weihrauch riecht. Im Jubiläums-
jahr 2000 konnte man in Rom sogar heilige Lut in Dosen kaufen. Die Lut mag
vor allem für Touristen bestimmt gewesen sein, aber in (Aber-)Glaubensdingen
haben die Italiener ganz konkrete Objekte, die sie, halb scherzhat und halb im
Ernst, vor dem Bösen schützen sollen.
Millionen tragen eine goldene Halskete mit einem Kreuz oder mit dem Abbild
der Madonna, aber nicht wenige haben zusätzlich ein rotes Horn ( corno ) am Gür-
tel hängen oder tragen es zumindest versteckt in der Jackentasche bei sich.
Manchmal baumelt es auch - neben Padre Pio - am Rückspiegel im Auto. Dann
kann man es schnell anfassen, wenn man zum Beispiel einen Leichenzug über-
holen muss. Das Horn, das früher aus Korallen, heute aber meistens aus Kunst-
stof gefertigt wird, soll bereits in der Antike gegen den bösen Blick ( malocchio )
geholfen haben. Der böse Blick kann Liebschaten zerstören, Krankheiten bring-
en, eigentlich jede Art von Unheil heraubeschwören.
Was die Religion angeht, ist man sich nicht ganz sicher, ob der liebe Got im-
mer Zeit für die kleinen Sorgen hat. Damit einen also das Unheil nicht anspringt,
berührt man sein Amulet oder macht ersatzweise das Hornzeichen ( le corna ):
von einer zur Faust geballten Hand sind der Zeigeinger und der kleine Finger
abgespreizt. Wer umgekehrt dafür bekannt ist, den bösen Blick zu haben, ist ru-
iniert - oder kann viel Geld verdienen. Es gibt unter dem Titel »Das Patent« eine
kleine Erzählung von Pirandello, in der von einem Richter erzählt wird, der einen
schwierigen Fall zu lösen hate. Ein Mann, der im Städtchen dafür bekannt war,
den bösen Blick zu haben, hate zwei Mitbürger wegen Verleumdung verklagt.
Sie haten nämlich das Hornzeichen gemacht, als er auf der Straße an ihnen
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