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Von Heiligen, Vögeln und Fischen
Kirche, Glaube und Aberglaube in Italien
So, wie er dasteht, muss man sich den heiligen Franz ganz ohne Heuschnupfen
vorstellen. Tagein, tagaus lehnt er sich an einen Brunnen auf der Piazza
Sant'Angelo an der Ecke zur Via Moscova in Mailand, umgeben von Topf- und
Schnitblumen, die der Blumenhändler je nach Jahreszeit rund um den Brunnen
anbietet. Erst am Abend, wenn der Händler die Blumen im Standhäuschen einsch-
ließt, oder im Winter, wenn das Angebot weniger üppig ausfällt, erkennt man auf
der anderen Seite des Brunnenrandes ein paar kleine Bronzevögel, zu denen die
Statue des Heiligen stumm predigt. Die Schritstellerin Anna Maria Ortese hat ihr
vor Jahrzehnten in einer ihrer Mailänder Geschichten ein kleines literarisches
Denkmal gesetzt. Und wie groß war meine Überraschung, als ich haargenau dem-
selben Brunnen in den Parkanlagen von Sassari auf Sardinien begegnete.
Heilige fürs Volk
Heilige gibt es viele. Italien ist voll von Heiligengeschichten, die heute noch die
Kirchen füllen. Zum Beispiel wenn sich in Neapel das geronnene Blut von San
Gennaro verlüssigt - oder auch nicht, was dann ein schlechtes Zeichen wäre.
Oder wenn Millionenstädte in einen karnevalsartigen Taumel geraten, wie
Palermo an den Festagen der Santa Rosalia (vom 10. bis 15. Juli). In San Giovanni
Rotondo bei Foggia in Apulien hat der Architekt Renzo Piano eine riesige Kuppel
gebaut, unter der mehr als 7000 Menschen Platz inden. Das ist ein Kirchenraum,
der mit einer überspannten Innenläche von 6000 uadratmetern und einem Vor-
platz von 9000 uadratmetern kaum dem Petersdom in Rom nachsteht. Diese
Wallfahrtskirche ist neben dem Kapuzinerkloster von San Giovanni Rotondo
entstanden, wo der von vielen Gläubigen verehrte Padre Pio di Pietrelcina 1968
starb und begraben wurde. Padre Pio, der über angeblichen Stigmata immer Hand-
schuhe getragen hate, wurden Wunderkräte nachgesagt, auch wenn ihn ärztliche
Gutachten als Hysteriker beschreiben. Jetzt sucht man Wunder und Glauben an
seinem Grab. Papst Johannes Paul II. hat den volkstümlichen Prediger heiligge-
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