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parteien zerbrachen. Auslöser war ein riesiger Finanz- und Korruptionsskandal.
Wählerstimmen wurden frei, und die kleinbürgerliche Regionalpartei Lega Nord
konnte davon ebenso proitieren wie die rechte Alleanza Nazionale (AN). Die AN
ist eine demokratische Nachfolgeorganisation der neofaschistischen Sozialbewe-
gung MSI, die als einzige Partei von Macht und Einluss in den Nachkriegsparla-
menten ausgeschlossen blieb - und damit auch von Finanzskandalen und Korrup-
tionsafären.
Plötzlich standen die Exfaschisten mit einer reinen Weste da, was sie beson-
ders für Wähler im Süden interessant machte. Im ganzen Land schien Anfang der
Neunzigerjahre ein neuer Wind zu wehen. Staatsanwälte und Gerichte haten
keine Scheu mehr, auch gegen hohe Politiker wie den früheren Ministerpräsiden-
ten Betino Craxi vorzugehen. Doch diese Aubruchstimmung ist längst verput.
Die Koalition der linken Mite, die Ende der Neunzigerjahre die Regierung stellte,
und dann wieder von 2006 bis 2008, wurde zeitweilig von zwölf Parteien getra-
gen, die, nicht anders als zuvor die Christdemokraten und ihre Partner, an den
Fleischtöpfen der Macht beteiligt werden wollten.
Im Palazzo
Das Wort palazzo , der Beamtenpalast mit Vor-, Chefzimmern und endlosen Gän-
gen, wird in der Öfentlichkeit als Synonym für Politik und Macht benutzt. Kaum
ein Palast verkörpert die volksferne Macht so perfekt wie der Palazzo di Giustiz-
ia, der Justizpalast, der eigentlich genau das Gegenteil ausdrücken sollte. Sollen
doch vor dem Gesetz alle gleich sein.
Vor ein paar Jahren recherchierte ich für einen Beitrag über die Staatsanwälte
und Richter, die unter dem Namen »Aktion saubere Hände« ( mani pulite ) die
politische Korruption bekämpfen. Ich wollte mit dem Mailänder Staatsanwalt
Gherardo Colombo sprechen. Was ich nicht wusste: Besucher des Justizpalastes
müssen einen Nebeneingang benutzen, werden nach Wafen durchsucht und
bekommen schließlich einen Besucherausweis. Ich spazierte dagegen nachmitags
gegen halb vier durch den Haupteingang dieses bombastischen Gebäudes aus
faschistischer Zeit und fand mich muterseelenallein in einer riesigen Halle
wieder, die nur eilig von einem Rechtsanwalt mit liegenden Rockschößen durch-
schritten wurde.
Endlich traf ich zwei ins Gespräch vertiete, schwer bewafnete und mit ku-
gelsicheren Westen bekleidete Polizisten, die ich nach der Staatsanwaltschat fra-
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