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eine einheitlich autretende kommunistische Partei gegenüber. Die hate sich
zwar für das westliche demokratisch-parlamentarische System entschieden, aber
es war in den Jahrzehnten des Kalten Kriegs einfach ausgeschlossen, dass Kom-
munisten, so sozialdemokratisch sie sich auch verhalten mochten, in einem
NATO-Land an die Macht kamen.
Als ihnen während der Siebzigerjahre unter ihrem Chef Enrico Berlinguer im-
mer mehr Wähler zuliefen, gab es massiven Druck gegen die Kommunisten (und
Finanzhilfen für die Christdemokraten) von amerikanischen wie deutschen Bünd-
nispartnern. Dem Partito Comunista Italiano (PCI) wurde politische Verantwor-
tung nur auf regionaler und lokaler Ebene »gestatet«. So blieben die Christde-
mokraten meistens zusammen mit kleineren Koalitionspartnern zum Regieren
geradezu verdammt, sie konnten gar nicht abgewählt werden. Ganz davon
abgesehen, dass die Mehrheit der Italiener bis heute eher wertkonservativ orien-
tiert ist oder zumindest Veränderungen fürchtet, auch wenn sie laut danach
schreit. Außerdem gibt es da noch die Gruppe derer, die ihr Herz links, ihr Porte-
monnaie aber rechts tragen. Und Politik ist selten eine Herzensangelegenheit.
Stabile Instabilität
Politik ist immer ein kompliziertes Tauschgeschät von Gefälligkeiten, Genehmi-
gungen, Posten und Auträgen. Das vermag auch eine hehre demokratische Rhet-
orik nicht zu verdecken. Voraussetzung dafür, dass dieses Netz hält und mög-
lichst viele zufriedengestellt werden können, ist ein gewisses Gleichgewicht zwis-
chen den unterschiedlichsten Interessengruppen, die sich die Macht teilen. Wenn
sich im Italien der Ersten Republik das Gleichgewicht verschoben hat, musste die
Macht innerhalb der herrschenden Eliten neu austariert werden. Denn ein
Macht- und Regierungswechsel blieb ausgeschlossen, solange die größte Opposi-
tionspartei mit ihrem Kainsmal »K« als regierungsunfähig galt. So führte bereits
eine kleine Gewichtsverschiebung der einen oder anderen Gruppe entweder zu
einer Regierungskrise oder gar zu einer vorgezogenen Neuwahl.
Das war die paradoxe Situation Italiens: Kaum eine Regierung blieb länger als
ein Jahr im Amt, zugleich aber war das Land politisch stabil wie kein anderes im
Westen, weil es über Jahrzehnte von den immergleichen politischen Köpfen und
Kräten geführt wurde.
Das änderte sich abrupt mit dem Ende des Kalten Kriegs, als der Faktor K ent-
iel, die Kommunisten in eine Identitätskrise gerieten und die alten Regierungs-
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