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dem Grad eines »Cavaliere Uiciale« des Verdienstordens der Republik Italien
ausgezeichnet. Wegen seiner Liebe zu Italien und weil er, wie es in der
Begründung heißt, während der Kriegsjahre »selbstlos in Erscheinung getreten
war, um der lokalen italienischen Bevölkerung zu helfen«. Er ist vermutlich der
einzige deutsche Soldat der Wehrmacht, der vom demokratischen Nachkriegsit-
alien geehrte wurde - unter einem Staatspräsidenten, der zur Zeit der deutschen
Besatzung ein führender Kopf der Widerstandsbewegung war. Dennoch: Die
Auszeichnung fand weder in den deutschen noch in den italienischen Medien
einen Niederschlag. Die Zivilcourage und der Anstand eines Leutnant Graßnick
kann nicht die Schuld vergessen machen, die sich Teile der Wehrmacht und der
Wafen-SS bei Übergrifen gegenüber der italienischen Zivilbevölkerung aufge-
laden haben. Ortsnamen wie Boves, Marzaboto oder eben Sant'Anna di Stazzema
stehen symbolisch für die Blutspur, die Deutsche in Italien hinterlassen haben.
Aber die Geschichte von Martin Graßnick ist eine jener kleinen Geschichten, die
zeigen, dass man sich anders verhalten konnte - und wie sich wer weiß wie viele
Unbekannte verhalten haben. Es ist eine Geschichte, die Mut macht.
Wie auch eine Begebenheit, die sich im Frühsommer 1944 an der ligurischen
Küste bei Monterosso, einem Dorf der Cinque Terre, abspielte, als Leutnant
Graßnick mit seiner Einheit bereits wieder unterwegs zur Ostfront war. Im Mor-
gengrauen wurden zwei deutsche Kriegsschife sieben Seemeilen vor Monterosso
von amerikanischen Einheiten mit Torpedos beschossen und so schwer getrofen,
dass sie in wenigen Minuten sanken. Obgleich die amerikanischen Schife noch
nicht abgedreht haten, organisierten Fischer von Monterosso eine Hilfsaktion.
Mit einfachen Holzbooten ruderten sie aufs Meer hinaus und reteten sechzig
deutschen Seeleuten das Leben.
Politisierung der Geschichte
Es gibt wohl kaum ein Land in Europa, in dem die öfentliche Diskussion um
Geschichte so politisiert ist wie in Italien. Bereits Pirandello beklagt sich in
seinem Roman »Matia Pascal« aus dem Jahr 1904, Geschichte sei dazu da,
erzählt zu werden, und nicht, damit man sie unter Beweis stelle. Besonders in den
Jahren unter den Berlusconi-Regierungen haben sich die verschiedenen polit-
ischen Fraktionen historische Fakten nur so um die Ohren gehauen. Zum Beis-
piel: Dass die Italiener in ihrer zweijährigen Herrschat während des Zweiten
Weltkriegs in Slowenien mehr als 1700 Unschuldige wahllos »massakrierten«,
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