Travel Reference
In-Depth Information
vielen Familien geholfen, ihnen Unterkunt verschat, sie mit Nahrungsmiteln
versorgt und - auch durch Befehlsverweigerung - einigen Menschen das Leben
geretet. Er hat das Kriegsgeschehen nicht verändert, aber Spuren hinterlassen.
Graßnick wurde in einem bürgerlichen Elternhaus erzogen. Der Vater, ein Bau-
beamter mit preußischem Plichtbewusstsein, gab sich unpolitisch. Beim Arier-
nachweis tauchte eine jüdische Großmuter auf. Der Vater verlor seine Stelle,
Martin und seine zwei jüngeren Geschwister mussten das Gymnasium verlassen.
Auf Umwegen machte Martin eine Ausbildung zum Bauzeichner, schließlich
wollte er Architekt werden. Es folgten Arbeitsdienst und Einberufung zur Wehr-
macht - trotz der jüdischen Großmuter. Was der junge Mann erst nach
Kriegsende erfuhr: Ein Nazigegner im Wehrkreiskommando Mainz hate einige
politische Akten vernichtet, darunter die von Martin Graßnick. »Aber ich trug all
die Jahre Angst in mir«, erzählte er, »dass mir die Großmuter zum Verhängnis
werden könnte.«
Graßnick wurde zunächst an der Ostfront eingesetzt, machte eine Oiziersaus-
bildung und übernahm einen Pionierzug. Im August 1943 verlegte man seinen
Zug nach Italien. Nachdem im Juli die Alliierten auf Sizilien gelandet waren und
langsam gen Norden vorrückten, bildete die Wehrmacht mit vier Armeekorps
eine neue Front quer durch Süditalien. Jedem Korps wurde eine Pionierkompanie
zugeteilt. Graßnick wurde zum Chef der neuen »Pionierkompanie z.b.V.4« auf
der Adriaseite ernannt und nach Pescara beordert, wo zwei weitere Züge seine
Kompanie vervollständigten. Der Kompaniechef richtete sein Hauptquartier in
einem leer stehenden, heruntergekommenen Adelspalast in San Filomena bei
Pescara ein. Aus dem ehemaligen Verbündeten Italien war inzwischen ein
Feindesland geworden, nachdem Deutschland am 8. September Italien oiziell be-
setzt und umgekehrt die aus Rom gelohene Badoglio-Regierung Deutschland den
Krieg erklärt hate. Bei ersten Kämpfen, als die Engländer in Termoli landeten,
musste die Kompanie Graßnick starke Verluste hinnehmen. Hilfskräte wurden
gebraucht. Pescara und die Orte an der Küste waren wegen der nahen Front der
Gustav-Linie von den meisten Einwohnern verlassen worden. Es kamen jedoch
Flüchtlinge aus südlich gelegenen Gebieten, wo in den Wochen zuvor das Kriegs-
geschehen getobt hate. Leutnant Graßnick half diesen Leuten und den wenigen
zurückgebliebenen Einwohnern der Stadt so gut er konnte. Er suchte vor allem
Handwerker, Schlosser, Schuster und Küchenpersonal. Dann siedelte er sie mit
ihren Familien in verlassenen Häusern rund um den Palazzo von San Filomena
Search WWH ::




Custom Search