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Das Mittelalter - ein mobile Zeit
Canossa bröckelt. Mühsam werden die kläglichen Reste der einstmals stolzen
Burg auf dem steilen Felsen gehalten, mit Mauern und Trägern gestützt und vom
Denkmalschutzamt mehr schlecht als recht überwacht. Wind und Weter nagen
am historischen Ort im emilianischen Apennin. Planzen nisten in Felsspalten
und Nischen, Wurzeln dringen zwischen die Steine, und die Winterfröste drohen
selbst neueres Mauerwerk der Stützbauten aufzusprengen. Und wenn im Winter
der erste Schnee fällt, dann senkt sich endgültig die Einsamkeit über die Ruinen
von Schloss, Kloster und Kirche, die dann nur noch am Wochenende von einem
der seltenen Besucher der Anlage, die ein kleines Museum beherbergt, unter-
brochen wird.
Im Januar des Jahres 1077 verharrte hier Heinrich IV. angeblich drei Tage lang
barfuß im Schnee. Erst dann gewährte Gregor VII., der »hässliche kleine Mönch-
spapst« (Ricarda Huch), dem Büßer Einlass und sprach Heinrich von dem
Kirchenbann frei. Der päpstliche Bann hate auf dem Höhepunkt des Investit-
urstreites die Machtstellung des Kaisers im Reich ernsthat infrage gestellt. Der
»Gang nach Canossa« ist noch heute als Sprachformel präsent, berühmt auch
durch Bismarcks Satz aus einer Reichtagsrede zum Kulturkampf mit der kathol-
ischen Kirche 1872: »Seien Sie unbesorgt, nach Canossa gehen wir nicht!« Als
realer Ort ist er jedoch fast vergessen. Dabei liegt er nur gut zwanzig Kilometer
von der parallel zur antiken Via Emilia errichteten Autostrada del Sole bei Reggio
Emilia entfernt, wo sich sante, an die Toskana erinnernde Hügel zu Keten
bilden, die dem dann schrof aufspringenden Apennin Richtung ligurischer Küste
entgegenstreben. Eine großartige, vom Tourismus merkwürdigerweise noch
kaum entdeckte Landschatskulisse, die für historische Autrite geradezu
geschaffen scheint.
Die Burg war Stammsitz und Zulucht der Mathilde von Canossa (1046-1115),
die im deutschen Sprachraum auch Mathilde von Tuszien genannt wird, weil ihr
ausgedehnter Herrschatsraum von den schrofen Bergen der Lombardei bis in
die lachen, malariaverseuchten Ebenen der südlichen Toskana reichte. Das muss
damals eine noch ziemlich ursprüngliche Landschat mit dichten Wäldern
gewesen sein, aber auch voller Sumpfgebiete und von Flüssen durchzogen, die
häuig über ihre Ufer traten. Wilde Tiere und kaum weniger kultivierte Räuberb-
anden oder gar Piraten auf dem Po machten damals jede Reise zum Abenteuer.
Dennoch war Mathilde andauernd in ihrem Staatsgebiet unterwegs, sprach in
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