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aufgrund der bisherigen Erfahrung unvorhersehbare Risiken bergen, sie benötigen
also auch keine neuen und spezifischen Regeln zur Risikoanalyse und Zulassung.
Der in Asilomar vorgedachte Weg wurde eingeschlagen. 1976 verabschiedeten
die NIH Richtlinien, die ein System zur Arbeitssicherheit beschrieben, das im We-
sentlichen auf physikalischen und biologischen Vorsichtsmaßnahmen beruht. Die
NIH-Richtlinien waren Ausdruck eines prozessorientierten Regulierungsansatzes.
Einige Jahre später wurden die Prozeduren der Risikoanalyse durch den National
Research Council (NRC 1983 ) vereinheitlicht. Als 1983 die ersten gentechnisch
veränderten Bakterien und Pflanzen in Freilandversuchen in Kalifornien getestet
wurden, wendeten die Wissenschaftler und Behörden das bestehende Konzept zur
Arbeitssicherheit auch an, um mögliche Umweltrisiken zu analysieren (Suter 1993 ) .
Eine grundlegende Politikänderung fand 1986 statt, als offiziell beschlossen wurde,
dass sich die Risiken von GVO nicht grundsätzlich von denen auf herkömmliche
Art und Weise gezüchteten Organismen unterscheiden, um eine schnelle Vermark-
tung der Produkte der Gentechnologie nicht unnötig zu behindern (Office of Science
and Technology Policy 1986 , Food and Drug Administration 1992 ) . Die Regie-
rung der USA entschied sich letztlich, keine spezifischen Gesetze zur Risikoanalyse
und Zulassung von GVO zu schaffen, sondern existierende Vorschriften zur Risi-
koanalyse von z. B. pathogenen Organismen oder invasiven Pflanzen zu nutzen.
Das U.S.-System wird häufig als produktorientiert bezeichnet, da die Risikoana-
lyse neuer Organismen nicht durch den Herstellungsprozess, sondern durch das
Vorhandensein neuer Eigenschaften ausgelöst werde. Damit die Behörden eine Ri-
sikoanalyse des Herstellers einfordern können, muss diese Eigenschaft nicht nur aus
anderen Organismen stammen, sondern ebenfalls schon in anderen Gesetzen als po-
tentiell schädlich eingestuft sein. Basierend auf diesen Entscheidungen analysieren
die U.S.-Behörden etwa die Markergene und ihre Proteine für Antibiotikaresistenz
in gentechnisch veränderten Pflanzen nach den Vorschriften für Lebensmittelzu-
satzstoffe. Transgene für Herbizidresistenz, die mit Promotoren aus Pflanzenviren
versehen wurden, fallen unter die Gesetzgebung für Pflanzenkrankheiten. Pflan-
zen mit Bt-Genen und Bt-Proteinen fallen unter die Vorschriften zur Zulassung
von Pestiziden und für Fische mit zusätzlichen Genen für Wachstumshormone
sind die Vorschriften für die Zulassung von Tierarzneimitteln anzuwenden. Die
offizielle Rhetorik, die diesen Ansatz als “science-” bzw. “risk-based” bezeichnet
gerät an ihre Grenzen, wenn etwa Herbizidresistenzen nicht durch Transgene mit
Viren-Promotoren, sondern durch chemische Mutagenese erzeugt wird. Obwohl die
phänotypische Eigenschaft die gleiche sein mag, liegen keine Produkteigenschaf-
ten vor, die durch existierende Gesetze der Risikoanalyse erfasst würden. Pflanzen,
deren Toleranz gegenüber Sulfonylharnstoff-Herbiziden durch chemische Mutage-
nese induziert wurde, können also ohne Risikoprüfung auf den Markt gelangen.
In den USA wurde jüngst eine Debatte über die Angemessenheit der derzeiti-
gen GVO-Regulierung ausgelöst, nachdem bekannt wurde, dass cisgene Pflanzen,
denen auf gentechnischem Wege in-vitro veränderte eigene DNA-Abschnitte einge-
fügt wurden, oder Gräser, denen eine gentechnische Glyphosatresistenz ohne virale
Promotoren eingebaut wurde, wegen des fehlenden Risikos bei der Nutzung eige-
ner DNA von der Risikoanalyse grundsätzlich auszuschließen seien (Pollack 2011 ,
Reardon 2011 , Voosen 2011 ) .
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