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regionale Strategien, die helfen, die Koexistenz vor Ort in einer Region umsetzen
zu können. In einer Region liegen die Anbauflächen verschiedener landwirtschaftli-
cher Betriebe mit unterschiedlichen Produktionsweisen unmittelbar nebeneinander
und müssen sich unter den gegebenen räumlichen Bedingungen und komplexen
Landnutzungskonkurrenzen miteinander arrangieren. In den verschiedenen Phasen
des landwirtschaftlichen Produktionsprozesses können Vermischungen zwischen
GVO-Produkten und Nicht-GVO-Produkten auftreten (Sanvido et al. 2005 ) . Zwar
bestehen bereits aktuell einige Regularien zum Umgang mit GVO vor Ort. Vom
Gesetzgeber ist beispielsweise die Information des Nachbarn zum beabsichtigten
Anbau in der GenTPflEV ( 2008 ) vorgeschrieben (siehe auch Kap. 11 ). In der Um-
setzung können beispielsweise durch geeignete Maßnahmen der guten fachlichen
Praxis, durch Mindestabstände und durch nachbarschaftliche Absprachen der Land-
wirte über den beabsichtigten Anbau Vermischungen gänzlich oder weitgehend
verhindert werden. Eine umfassende Strategie zum Umgang mit dem Anbau von
GVO existiert jedoch bislang in Deutschland nicht. Sie kann die vor Ort gegebenen
naturräumlichen Bedingungen, die Agrar- und Anbaustruktur, die sozioökonomi-
schen und politisch-administrativen Rahmenbedingungen am besten auf regionaler
Ebene aufgreifen. Dabei sollte sie das Wissen und die Erfahrung der relevanten Ak-
teure, der Landwirte und der politisch-administrativ Handelnden dieser Region zur
Problemlösung nutzen. Eine regionale Strategie kann das Thema Anbau von GVO
helfen zu versachlichen, entstehende Konflikte zu minimieren und die berechtigten
Interessen aller Beteiligten in der Region zu berücksichtigen. Das Ziel der Strategie
ist es, die Koexistenz einer Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik auf regionaler
Ebene zu unterstützen.
Eine mögliche und in der Literatur als adäquat eingestufte Strategie, um die di-
vergierenden Positionen und Interessen in einer Region auszugleichen, stellt ein
partizipativ-diskursiver Ansatz dar, der eine Risikokommunikation und eine Ko-
operation der Akteure der Region einschließt (RRAC 2009 ) . Eine solcher Umgang
mit Konflikten und der Lösung von Problemen greift die im Begriff der „Go-
vernance“ zum Ausdruck kommenden Erkenntnisse zur stärkeren Notwendigkeit
der Einbeziehung unterschiedlicher Akteursgruppen in regionale Entscheidungs-
und Entwicklungsprozesse und dem dabei notwendigen Wechselspiel informeller
und formaler Steuerungsansätze auf (vgl. Benz 2004 , Assmuth et al. 2010 ) . Eine
Risiko-Governance kann neben der europäischen und nationalen Ebene auch auf
regionaler und lokaler Ebene angewandt werden (De Marchi 2003 ) . Nur eine Risiko-
Governance ist geeignet, systemischen Risiken adäquat zu begegnen und Tendenzen
zur Verlagerung und Verstärkung entgegenzuwirken (Renn und Keil 2008 ) . Die in
diesem Kontext genutzten kooperativ-kommunikativen und partizipativen Ansätze
sind dabei nicht generell neu, sondern werden in anderen Zusammenhängen bereits
seit längerem im Rahmen regionaler Veränderungsprozesse erfolgreich genutzt (vgl.
z. B. Bischoff et al. 1996 ) .
In diesem Kapitel werden Erfahrungen mit einem praxisnahen partizipativ-
diskursiven Ansatz in der Brandenburger Region Märkisch-Oderland zum Umgang
mit dem Thema „Anbau von GVO“ vorgestellt. Sie gehen auf folgende Fragestel-
lungen ein:
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