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1. Ökologisch: Gentechnisch veränderte Pollen fliegen weit über die Nachbarschaft
hinaus, werden von der nachbarschaftlich orientierten Regelung aber nicht er-
fasst Dies betrifft z. B. Imker, deren Honig durch GVO-Pollen verunreinigt wird.
Die Gerichte haben bisher zwar anerkannt, dass der Honig kontaminiert und
deshalb schlecht absetzbar sein kann, sie haben jedoch den Imkern die Verant-
wortung zugeschoben, der Kontamination durch geeignete Aufstellung der Bie-
nenkörbe auszuweichen . 4 Auch andere Wirkungspfade (Nicht-Ziel-Organismen,
horizontaler Gentransfer) transzendieren das Nachbargrundstück.
2. Ökonomisch: Bei stark parzellierter Landwirtschaft führen die Abstandsregelun-
gen dazu, dass ein Mosaik getrennter Wirtschaftsweisen entsteht, in dem viele
Flächen als Pufferzonen vergeudet werden.
3. Sozial: Wegen der Vielzahl von Beteiligten werden die aufwendigen Abstim-
mungen in der Praxis häufig unterbleiben, etwa weil GVO-Landwirte die
frühzeitige Mitteilung unterlassen oder weil die betroffenen Bauern sich nicht
wehren.
Die individualisierende Konfliktlösung verkennt, dass es sich bei dem Risiko der
Gentechnik nicht um ein begrenztes, sondern um ein systemisches Risiko handelt.
Unter systemischen Risiken werden verstanden
solche Ereignisse oder Prozesse, die weit über den Ort ihres Ursprungs oder ihrer unmittel-
baren Wirkung hinaus negative Effekte in anderen Bereichen oder Systemen haben, die sich
im Verlauf der Risikoausbreitung noch verstärken können (Renn und Keil 2008 , S. 350).
Ein Beispiel solcher Risiken ist die jüngste Finanzkrise, in der die Finanzspeku-
lation über komplexe Verursachungsprozesse die „real“ wirtschaftenden privaten
Haushalte, Unternehmen und öffentlichen Kassen infizierte (OECD 2003 ) . Sol-
che systemischen Wirkungen gibt es auch im Bereich natürlicher Prozesse. Ein
Beispielsfall ist, wie gezeigt, die Gentechnik.
Zu fragen ist deshalb, ob es Mittel und Wege gibt, die dem systemischen Cha-
rakter besser Rechnung tragen als die individuelle Konfliktaustragung vor Ort. Im
Hinblick auf Gesundheits- und Umweltrisiken geschieht dies durch ein recht weit
entwickeltes Instrumentarium der präventiven und mitlaufenden Prüfung, die gerade
auch die weiterreichenden Auswirkungen in den Blick nimmt. Im Hinblick auf die
Koexistenz im ökonomischen Sinne fehlt es dagegen noch an geeigneten systemisch
wirksamen Mitteln.
Als ein solches Mittel kommt die räumliche Clusterung der Wirtschaftsweisen
in Betracht. Eine Variante dessen ist die Schaffung sogenannter gentechnikfrei-
er Regionen. Über die räumliche Clusterung ließe sich der Fernflug von Pollen
zumindest teilweise beherrschen, würden Pufferzonen reduziert und ließen sich
Vollzugsdefizite vermeiden.
Für die Ausgestaltung der räumlichen Entzerrung der Wirtschaftsweisen bieten
sich aus rechtlicher Sicht zwei Methoden an: Zum einen die räumliche Planung,
zum anderen freiwillige Absprachen zwischen den Landnutzern.
4 Vgl. u. a. VG Augsburg v. 30 Mai 2008, Az Au 7 K 07.276.
 
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