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November ernannte man Józef Pił-
sudski (1867-1935) zum vorläufigen
Staatschef. Seine Idee war die Wieder-
herstellung des alten jagiellonischen
Reichs als eine Art Bundesstaat, der
sich weit nach Osten hinein, also auf
Kosten Russlands erstrecken sollte.
Sein nationaldemokratischer Gegen-
spieler Roman Dmowski, der vom Aus-
land her dem Polnischen Nationalrat
und der Exilarmee vorgestanden hatte,
bevorzugte dagegen die piastische Va-
riante, also ein Polen, das bis zur Oder
reichen und demgemäß die Feind-
schaft der Deutschen nach sich ziehen
würde. Nicht zuletzt dank Dmowskis
Engagement verfügten die Alliierten
auf der Versailler Friedenskonferenz
die Abtretung Pommerellens an Polen,
das damit wieder einen Zugang zur
Ostsee erhielt. Nur Danzig wurde ent-
gegen der polnischen Wünsche zur
„Freien Stadt“ unter Aufsicht des Völ-
kerbunds erklärt.
Die Bewohner Ostpreußens spra-
chen sich im Rahmen der Abstim-
mung über die künftige nationale Zu-
gehörigkeit 1920 mit überwältigender
Mehrheit für Deutschland aus. Mar-
schall Piłsudski interessierte das aller-
dings nicht besonders. Noch im sel-
ben Jahr entfesselte er den Russisch-
Polnischen Krieg, der 1921 mit dem
Friedensvertrag von Riga und einem
beträchtlichen Gebietsgewinn Polens
im Osten endete. Mit sechs Millionen
Ukrainern und zwei Millionen Weiß-
russen sowie den im Versailler Vertrag
gewonnenen Gebieten mit deutscher
Bevölkerung war die junge polnische
Republik zum Vielvölkerstaat gewor-
den. Östlich waren Erhebungen und
Revolten, westlich Empörung, Ableh-
nung und Schikanen die Folge.
Nach französischem Vorbild wurde
1921 eine polnische Verfassung kon-
stituiert. Die Wahlen am 5. November
entschieden die Nationaldemokraten
für sich, woraufhin Piłsudski beleidigt
zurücktrat und 14 Regierungen später,
im Frühjahr 1926, mit Hilfe des Militärs
putschte. Ein Sechstel der Bevölke-
rung war zu dieser Zeit arbeitslos, ein
Viertel aller Erwachsenen konnte we-
der lesen noch schreiben. Piłsudski
schloss einen Nichtangriffspakt mit
Russland und Deutschland, Oppositio-
nelle wurden verhaftet und die Ver-
waltung von Piłsudski-Gegnern „ge-
säubert“. 1932 kam ein Ermächti-
gungsgesetz, und im April 1935 trat ei-
ne neue Verfassung in Kraft, die den
Marschall zum Alleinherrscher mach-
te. Einen Monat später war er tot und
Polen eine Diktatur ohne Diktator.
Sein Nachfolger wurde Armeechef Ed-
ward Rydz-Śmigły.
In Deutschland hatte mittlerweile
Adolf Hitler die Macht ergriffen. Ab
1938 forderte der nationalsozialisti-
sche Führer immer lauter die Rückkehr
der Freien Stadt Danzig ins Reich, de-
ren Bewohner zu 90 Prozent Deut-
sche waren, sowie die Lösung des so-
genannten „Korridor-Problems“. Eine
exterritoriale Autobahn sollte Pom-
mern und Ostpreußen miteinander
verbinden. Gegenleistung der Nazis:
Verlängerung des Nichtangriffspaktes
um 25 Jahre und die Anerkennung der
neuen deutsch-polnischen Grenze.
Doch spätestens seit dem Einmarsch
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