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Hinter dem Rechtstädtischen Rat-
haus eröffnet sich der Długi Targ
(Langer Markt), von dem viele sagen,
er sei einer der schönsten Plätze Euro-
pas. Weiß getüncht zeigt sich dort die
Renaissance-Fassade des Artushofs
(Dwór Artusa). Ursprünglich Mitte des
14. Jahrhunderts errichtet, brannte er
nach einem Gelage der Ratsherren-
Gilde, die im Artus-Hof ihre Versamm-
lungen abhielt, zunächst einmal ab,
wurde 1552 wieder aufgebaut und er-
hielt seine heutige Gestalt schließlich
1616/17 von Abraham van den Blocke.
Nach dem sagenhaften König Artus
und seiner Tafelrunde hatte man dem
Gebäude seinen Namen gegeben.
Und tatsächlich entwickelte sich in der
großen Halle eine Art trinkfröhliche
Bruderschaft, über die brave Bürger
folgende und ähnliche Klagen führten:
„Täglich sieht und hört man im Artus-
hof das wilde, brutale und üble Beneh-
men mancher Personen. Einige Brüder
verbringen dort nicht nur ihre Tage,
sondern auch ihre Nächte auf Banket-
ten. Dies erfüllt die anständigen, from-
men Bürger und die Fremden, die sich
in der Stadt aufhalten, in solchem
Maße mit Ärger und Angst, dass sie
lieber einen weiten Bogen um den
Hof machen.“
Dennoch: Im 16. und 17. Jahrhun-
dert bildete der Artushof mit seinen
Banketten und Feierlichkeiten den
Mittelpunkt des vornehmen gesell-
schaftlichen Lebens in Danzig. Innen
schmücken ihn Gemälde, Schiffsmo-
delle, Ritterrüstungen und ein ganze
zehn Meter hoher Renaissance-Ka-
chelofen.
Vor seiner schneeweißen Fassade
plätschert seit 1633 der Neptunbrun-
nen (Fontanna Neptuna), ein weiteres
der so zahlreichen Danziger Wahrzei-
chen. Er entstand auf Initiative des Bür-
germeisters Speymann, mit Entwurf
und Ausarbeitung wurde Abraham van
den Blocke beauftragt. Der Künstler
verstarb jedoch noch vor Vollendung
des Brunnens, und sein Schüler Wil-
helm Richter stellte ihn fertig. Eine Sa-
ge erzählt, der Meeresgott Neptun ha-
be an dieser Stelle persönlich zur Erfin-
dung des berühmten Danziger Kräu-
terlikörs „Goldwasser“ beigetragen.
Aufgebracht darüber, dass die Leute
dauernd Münzen in seinen bildschö-
nen Brunnen warfen, drosch er mit
dem Dreizack so kräftig aufs Wasser
ein, dass die Münzen in unzählige fei-
ne Goldplättchen zerbarsten. Der gol-
dene Schimmer, den sie auf der Was-
seroberfläche hinterließen, brachte die
Danziger auf die Idee, damit ihr „Gold-
wasser“ zu veredeln.
Ostwärts schließt sich an den Artus-
hof das Neue Schöffenhaus (Dom
Ławników) an. 1712-1806 diente es
als Sitz des Stadtgerichts, weshalb den
Giebel eine Allegorie der Gerechtig-
keit ziert. Darunter öffnet sich täglich
um 13 Uhr (im Sommer zusätzlich 15
und 17 Uhr) das goldblattverzierte
runde Fenster, und „Fräulein Hed-
wig“ schaut auf den Platz hinaus. Sie
ist die Protagonistin des bekanntesten
Romans von Jadwiga Łuszczewska
(1843-1908), „Das Mädchen am
Fenster“, der von der armen Jungfrau
Hedwig erzählt, die ihr Onkel im Haus
am Langen Markt 43 eingesperrt hielt.
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