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Bernstein -
das Ostseegold
Seit alters her versuchten die Menschen,
das Geheimnis um die
Herkunft des Bern-
steins
zu lüften. Der antike römische Dich-
ter
Ovid
berichtete, dass nach dem Tod des
Sonnengottes Phaeton die Tränen, die sei-
ne Mutter und Schwester darüber vergos-
sen, vom Fluss zum Meer getragen wurden
und sich dort in Bernstein verwandelten.
Weniger poetisch und den heutigen Er-
kenntnissen näher war
Plinius
mit seiner
Vermutung, Bernstein sei aus dem Harz der
nordischen Nadelbäume geronnen, wäh-
rend
Servius
annahm, dass er vom Wal-
fischambra herrühre (woher das englische
Wort
amber
für Bernstein stammt).
Die
deutsche Bezeichnung
entwickelte
sich aus dem mittelniederdeutschen Wort
„börnen“ (brennen), in dem die Brennbar-
keit des Bernsteins mitschwingt. Die alten
Lateiner gaben ihm den Namen „elec-
trum“, das sie dem griechischen
élektron
entlehnten, was einerseits „hellgold“ und
andererseits „Bernstein“ bedeutet und wo-
rin die statische Elektrizität beim Reiben
von Bernstein anklingt. Diese war bereits
den vorklassischen griechischen Naturphi-
losophen ein Begriff.
Die
Alchemisten
des Mittelalters be-
stimmten den gelb bis braun, manchmal
auch grünlich schimmernden Stein als eine
Mischung von Steinkohle, Bitumen, Ölen
und Meeresschaum. In der Moderne wur-
de der Bernstein zum Namensgeber so-
wohl des Elektrons als auch der Elektrizität.
Und die
zeitgenössische Wissenschaft
definiert das Naturprodukt als
fossiles
Harz,
das unter dem Einfluss von Mikroor-
ganismen und durch Oxydation, Polymeri-
sation und Hydration/Dehydration seine
Gestalt annahm. Angenäherte Summenfor-
mel: C
10
H
16
O+(H
2
S).
Etwa 40 bis 50 Millionen Jahre ist der
baltische Bernstein
alt. Seine Ursprünge
liegen im
Alt-Tertiär,
als die Ostseeregion
subtropische Wälder schmückten und die
Bernstein-Kiefer als Harzlieferant massenwei-
se gedieh. Infolge von Klimaveränderungen
versanken die Wälder später in den anstei-
genden Meeresfluten, das Harz wurde he-
rausgespült und lagerte sich insbesondere an
der südlichen und südöstlichen Ostseeküste
ab. Von Sand und tonnenschweren Gesteins-
schichten bedeckt, entwässerte es unter dem
Wasserdruck und dem Luftabschluss und oxi-
dierte zu Kohlenstoffmolekülen, aus denen
schließlich der Bernstein entstand.
Ihm verdankten in der Antike die „Barba-
renvölker“ des Nordens ihre
Handelsbezie-
hungen
mit den fortgeschrittenen Zivilisatio-
nen rund um das Mittelmeer. Über die Bern-
steinstraße an Weichsel und Donau gelangte
das vielbegehrte Ostseegold über das
Schwarze Meer bis nach Kleinasien und so-
gar Ägypten. Umschlagplätze stiegen zu rei-
chen Städten auf, so etwa das sagenhafte
„Jumne am skythischen Sumpfmeer“ (Wolin)
oder die legendäre prußische Handelssied-
lung Truso südöstlich von Elbląg am Frischen
Haff.
Seit Menschengedenken wird das Ostsee-
gold an den Stränden gefischt, zunächst mit
viel Glück, später dann systematisch. Schließ-
lich wurde es auch in Tagebauten erschlos-
sen; die größte Grube befand sich bis 2002
bei
Jantarny (Palmnicken)
an der Bernstein-
küste in der russischen Enklave Kaliningrad
(Königsberg). Seit ihrer Schließung steigen
die Preise, auch wenn Polen als wichtiger
Bernsteinlieferant noch über Vorräte von ge-
schätzten 12.000 Tonnen verfügt und inso-
fern kein Mangel besteht.
Äußerst rar geworden sind jedoch die
In-
klusien,
im Harz eingeschlossene und so
Bernsteinschmuck wird überall an
der polnischen Ostseeküste angeboten
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