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Der „Totale Film“
gar künstlerischem Eigensinn überlassen
sein. Er befugte den Regisseur
Harlan,
„alle
Dienststellen von Wehrmacht, Staat und
Partei um ihre Hilfe und Unterstützung zu
bitten und sich dabei darauf zu berufen,
dass der hiermit von mir angeordnete Film
im Dienst unserer geistigen Kriegsführung
steht.“
Und während schon Bomben auf das
„Tausendjährige Reich“ niedergingen, Le-
bensmittelmarken an die Bevölkerung aus-
gegeben wurden und die Wehrmacht sich
überall auf dem Rückzug befand, ver-
schlang „Kolberg“, für den man 18.500 Sta-
tisten (nein, Sie haben sich nicht verlesen)
abkommandierte, die gewaltige Summe
von
achteinhalb Millionen Reichsmark.
Am
30. Januar 1945
wurde das neben
„Jud Süß“ berüchtigtste filmische Mach-
werk der Nationalsozialisten in La Rochelle
uraufgeführt,
der letzten deutsch besetz-
ten Festung in Frankreich. Zur Premiere ka-
belte
Goebbels
an den dortigen Festungs-
kommandanten: „Möge der Film Ihnen und
Ihren Soldaten als ein Dokument der uner-
schütterlichen Standhaftigkeit eines Volkes
erscheinen, das in diesen Tagen eines welt-
umspannenden Ringens, eins geworden
mit der kämpfenden Front, gewillt ist, es
den großen Vorbildern seiner ruhmvollen
Geschichte gleichzutun.“
Sieben Wochen später nahmen die pol-
nische und die sowjetische Armee in einer
der furchtbarsten
Schlachten
auf pommer-
schem Boden das wirkliche Kolberg ein.
Unbeschreiblich waren die
Zerstörungen
und die Verluste,
da die Wehrmacht in
ihrem Wahn jede Straße und jede Gasse
bis zum Untergang verteidigte. Kolberg
war in ein Meer von Blut und Feuer ge-
taucht. Unzählige Menschen verloren ihr
Leben.
Am
18. März 1945,
Kołobrzegs „Tag der
symbolischen Vermählung mit der Ostsee“,
war die Stadt nach erbitterten Kämpfen
vom Nationalsozialismus befreit. Doch es
gab sie nicht mehr.
„Der bedeutendste Ort an der Küste ist
Kolberg, eine Stadt von 23.000 Einwoh-
nern, einst eine
berühmte Festung,
die in
den Kriegen des 18. Jahrhunderts und
außerdem in der Napoleonzeit eine große
Rolle spielte, berühmt vor allem durch die
heldenmütige Verteidigung durch Nettel-
beck und Gneisenau.“ So berichtet 1912
Professor
Dr. Deecke
in seiner „Landeskun-
de von Pommern“ von der alten Stadt Kol-
berg. Die Wehrvorrichtungen der „be-
rühmten Festung“ wurden zwar 1872
schon abgebaut, doch sollten sie im „Tota-
len Krieg“, den Nazi-Deutschland 1939
entfesselte, noch einmal eine bedeutende
symbolische Rolle spielen.
Am 1. Juni 1943 erteilte NS-Propaganda-
minister
Joseph Goebbels
dem
UFA-Regis-
seur Veit Harlan
(1899-1964) den
Auf-
trag, „einen Großfilm ‚Kolberg' herzu-
stellen.“
Sinn und Zweck sollte sein, „am
Beispiel der Stadt, die dem Film den Na-
men gibt, zu zeigen, dass eine in Heimat
und Front gemeinsame Politik jeden Geg-
ner überwindet.“ Dazu bediente man sich
der historischen Ereignisse rund um die er-
folgreiche
Verteidigung Kolbergs 1806
unter General
August von Gneisenau
(1760-1831) und Bürgeradjutant
Joachim
Nettelbeck
(1730-1824) gegen die napo-
leonischen Truppen.
Die Hauptrolle im heute verbotenen
letzten Propaganda- und Durchhaltefilm
der NS-Zeit
übernahm
Heinrich George
(1893-1946), der als junger Schauspieler
im Sommertheater zu Kolberg daselbst sei-
ne ersten Sporen verdient hatte.
George
mimt einen heroischen
Nettelbeck,
der,
während man im französisch belagerten
Kolberg noch auf Verstärkung durch preu-
ßische Truppen wartet, eine Bürgerwehr or-
ganisiert, welche, zu allem bereit, unter der
Führung
Gneisenaus
todesmutig den Erb-
feind verjagt.
Von der Drehbuchherstellung bis zum
Endschnitt überwachte
Goebbels
sein Lieb-
lingsprojekt. Nichts sollte dem Zufall oder
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