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Der Wisent -
Wiedergeburt des europäischen Wildrinds
Einst war der Wisent von Spanien über Mit-
teleuropa bis Sibirien und in die gemäßig-
ten Zonen Asiens hinein verbreitet. Sein
Rumpf bis zu zwei Meter hoch über den
Hufen, der breite Kopf mit Zottelbart und
zwei kleinen Hörnern geschmückt, kann
der Bulle bis
zu eine Tonne Gewicht
auf
die Waage bringen, die leichtfüßigere Wi-
sent-Dame immer noch weit über 500 Kilo.
So war der dem Amerikanischen Bison
(Bi-
son bison bison)
sehr nah verwandte Wi-
sent oder Europäische Bison
(Bison bison
bonasus)
als
Fleisch- und Felllieferant
stets
beliebt und wurde seit Menschengedenken
gejagt.
Schon Höhlenzeichnungen stellen die
Jagd auf den größten und schwersten eu-
ropäischen Landsäuger dar.
Plinius der Älte-
re
beschreibt ihn im ersten Jahrhundert
nach Christus in seiner „Naturalis Historia“
als Rind mit Pferdemähne und viel zu kur-
zen, daher zum Kampf unnützen Hörnern,
das vor jeder Gefahr unverzüglich das Wei-
te suche.
Tatsächlich sind die Giganten aus der Fa-
milie der Paarhufer recht
scheu
und fliehen
sofort, sobald sie die Witterung von Men-
schen aufnehmen. In solchen Fällen kön-
nen sie einen erstaunlich schnellen Galopp
einlegen, am liebsten aber durchstreifen sie
ihr Futterrevier, grüne Laubwälder, im ge-
mütlichen Trott. Auf der
Speisekarte
der
Wiederkäuer stehen Blätter, Triebe, Zweige
und Jungbäume, die sie mit ihrer Körper-
kraft einfach umlegen. Auf Lichtungen wei-
den sie Gräser und Kräuter und im Herbst,
um sich ausreichend Winterspeck anzufut-
tern, ausgiebig Pilze, Beeren und Wald-
früchte.
Erst im Winter schließen sich Wisente zu
größeren
Herden
zusammen, in denen
sich dann auch einige Bullen aufhalten. An-
sonsten leben sie in kleineren Rotten von
etwa 20 Kühen und Kälbern zusammen. Im
Mai/Juni, wenn die Natur eine reiche Tafel
bestellt, kommen die gut 30 Kilogramm
schweren
Jungen
nach knapp neun Mona-
ten als Einzelkinder zur Welt. Etwa ein Jahr
lang werden sie gesäugt, und in dieser Zeit
sollte man Wisent-Mamas unbedingt aus
dem Weg gehen. Im August/September
geraten die Bullen in Wallung. Schnaufen,
Brüllen und Hufstampfen zählen während
der Brunft zum Imponier-Repertoire, und
der Nahkampf entscheidet, welcher der
konkurrierenden Nebenbuhler am Ende
der ranghöchste ist und sich mit einem Ha-
rem von bis zu acht Kühen paaren darf.
So haben die Wildrinder Generationen
um Generationen in den Wäldern gelebt.
20 bis 25 Jahre alt wird ein Tier, und nur
Wölfe und Bären waren einst seine natürli-
chen Feinde. Doch der
Mensch
nahm ihm
durch die Rodung der Wälder den Lebens-
raum und bediente sich seiner als Fleisch-
lieferant. Anders als Pfau und Fasan taugte
der Wisent auch nie zum Schönheitsideal,
man befand vielmehr, „daß er häßlich seye,
scheutzlich, vil haare, mit einem dicken lan-
gen halshaar als die Pfärdt, item gebartet,
summa gantz wild und ungestalt“, wie ihn
der Gelehrte
Conrad Gesner
im 16. Jahr-
hundert beschreibt.
So war sein Schicksal besiegelt. Anfang
des 20. Jahrhunderts existierte im Kaukasus
noch ein minimaler Bestand des kleineren
Bergwisents sowie im Białowieża-Urwald
an der heutigen polnisch-weißrussischen
Grenze einige Rotten des Flachlandwisents.
Ihre letzten Vertreter wurden trotz stren-
Scheuer Riese: Wisentbulle
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