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des Staatsapparats, der Justiz und der
Vorstandsetagen, der Bildungseinrich-
tungen und Redaktionen von Anders-
denkenden und politischen Gegnern,
vertieft die Gräben im Land.
Ihren stärksten Verbündeten findet
die PiS in Teilen der polnischen katho-
lischen Kirche, die eine gottlose Ge-
sellschaft als Teufelswerk geißelt. Be-
reits 2003 startete das nationalkonser-
vative Lager zusammen mit dem Bau-
ernanführer Andrzej Lepper sowie
zahlreichen Geistlichen im Bunde eine
demagogische Anti-Europa-Kampag-
ne. Nur Papst Wojtyła konnte die Ge-
sinnungstäter seinerzeit zur Räson ru-
fen. Im Wahlkampf 2005 fehlt diese
vatikanische Autorität, und der funda-
mentalistische katholische Privatsen-
der Maryja berieselt fünf Millionen
gläubige Hörer mit PiS-Propaganda.
Anfang Mai 2006 treten die rechts-
radikale, antisemitische Liga der pol-
nischen Familien (LPR) und Leppers
rechtslinkspopulistische Bauernpartei
„Selbstverteidigung“ (Samoobrona)
in die Regierung ein. Ganz oben auf
der Agenda des neuen Pakts zwischen
Nationalkonservativen, Populisten und
Rechtsradikalen steht neben dem
Schutz von Ehe, Familie und ungebo-
renem Leben der Aufbau eines „Zen-
tralen Antikorruptionsbüros“, einer Art
Geheimpolizei, die das Land nach in-
neren Feinden durchstöbert.
Nach einer Regierungskrise im Juli
2006 muss Ministerpräsident Marcin-
kiewicz seinen Hut nehmen, und
Staatschef Lech Kaczyński ernennt sei-
nen Zwillingsbruder Jarosław zum
neuen Premier. Fortan regieren die
Zwillinge Polen im Doppelpack, be-
gleitet von zahlreichen politischen In-
trigen und Skandalen. Gut 60 Prozent
der Bevölkerung wünscht sich im
Herbst 2006 Neuwahlen, im August
2007 sind es knapp 90 Prozent.
Neuwahlen 2007
Die Mehrheit im Land fühlte sich von
der Rechtsaußen-Regierung ohnehin
nicht repräsentiert. Von den über 28
Millionen Wahlberechtigten gaben bei
den Parlamentswahlen 2005 nur noch
40 Prozent ihre Stimme ab. Das ist die
niedrigste Wahlbeteiligung seit Be-
stehen der Republik Polen. Und er-
wies sich die Stichwahl 1995 zwischen
dem damals amtierenden katholisch-
konservativen Staatspräsident Wałesa
und seinem Herausforderer, dem Lin-
ken Kwaśniewski, noch als Straßenfe-
ger, schritt zur Präsidentschaftswahl
zehn Jahre später nicht einmal mehr
die Hälfte der Wähler.
Anfang August 2007 wirft Premier
Jarosław Kaczyński Bauernparteiführer
und Vizepremier Lepper aus der Re-
gierung. Es folgen weitere Demissio-
nen, die darin gipfeln, dass der In-
landsgeheimdienst den kurz vorher
entlassenen Innenminister vor laufen-
den Fernsehkameras verhaftet. Das
Rechtsaußenbündnis, angetreten, um
Polen zu „säubern“, scheitert an sei-
nen unsauberen Machenschaften.
Anfang September stimmt das Parla-
ment in Warschau mit großer Mehr-
heit seiner Selbstauflösung zu und
macht damit den Weg für Neuwahlen
frei. Mitte Oktober siegt die Bürger-
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