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Skalen ebenso möglich, wie die Ableitung von Scha-
denskarten als Teil der Vulnerabilitäts- und Risikoana-
lyse.
Die Analysen machen aber auch deutlich, dass die
Hochwasserkontrolle immer auch Ausdruck von politi-
schem Willen war und insbesondere in der transnatio-
nalen und sich stark politisch ändernden Struktur eine
jeweilige Neudefinition erfahren hat. In diesem Sinne
reflektierte und reflektiert die Grenze zwischen Frank-
reich und Deutschland auch heute noch eine Bruchli-
nie in der Hochwasserwahrnehmung, aber auch in der
Hochwasserkommunikation und im Hochwasserma-
nagement. Das könnte sich jetzt durch die Vorgaben
der EU-Wasserrahmenrichtlinie von 2007 ändern, mit
der ein einheitlicher und im Grunde auch relativ klar
definierter Handlungsrahmen gegeben ist. Die heutigen
Fragen der transnationalen Probleme sind aber noch
nicht schließend, sondern werden durch die Frage von
Ober- und Unterliegern entlang des Rheins überlagert.
Das hohe Risikopotenzial ergibt sich aber nicht nur
aus dem Hochwasserabfluss des Rheins, sondern auch
aus dem der Sturmfluten an der Nordseeküste. Nach der
verheerenden Sturmflutkatastrophe im Februar 1953
(1835 Tote) wurden von der neu gegründeten Delta-
kommission statistische Methoden für die Bemessung
von Sturmflutwasserständen eingeführt, mit dem Er-
gebnis, dass ein extrapolierter Sturmflutwasserstand die
Grundlage für die Deichbemessungen bildet (Abb.
2.44). Das beinhaltet auch die Erhöhung des Bemes-
sungswasserstandes und damit der Deichkrone und das
Abflachen der Innenböschung der Deiche auf ein Ver-
hältnis von 1 : 3.
Der Bemessungswasserstand für Zentralholland wur-
de auf 5 m NAP mit einer Wiederkehrzeit von 10 000
Jahren festgelegt. Ländliche Gebiete außerhalb Zentral-
hollands, für deren Polder der wirtschaftliche Schaden
infolge von Überschwemmungen geringfügiger einge-
schätzt wurde, werden nach Wiederkehrwahrscheinlich-
keiten von 3000 bis 4000 Jahren bemessen.
Um diese außergewöhnlich hohen Jährlichkeiten und
die sich daraus bemessenen Bauwerke in Relation zu set-
zen, sei angemerkt, dass die Deiche entlang deutscher
Flüsse nach einem Wiederkehrintervall von in der Regel
100 oder 200 Jahren bemessen sind. Dieser Unterschied
spiegelt sich auch in den Bau- und Unterhaltungskosten
wieder, ein Kilometer Deich der Dimension HQ100
oder HQ200 liegt bei etwa 1 Million Euro Baukosten.
Soll ein Deich vor selteneren Hochwassern schützen, ist
er entsprechend höher zu bauen, was eine deutliche Stei-
gerung der Baukosten zur Folge hat.
In Anbetracht der besonderen Verhältnisse auf dem
Rheindelta wird jedem Polder in den Niederlanden eine
eigene spezifische Bemessungswiederkehrzeit oder -fre-
quenz zugeordnet. Eine neue Methode zur Bemessung
der Überschwemmungswahrscheinlichkeit ist eine pro-
babilistische Methode, die berücksichtigt, dass Deichab-
schnitte bereits kritisch belastet sind, bevor der Bemes-
sungswasserstand des Deiches erreicht ist. Als Gründe
werden neben der Länge des Deichabschnitts die Bil-
dung von Abrissflächen durch Wasserrückstau (Wasser-
logging) oder Deichversagen infolge des sogenannten
Pipings genannt (Bildung von Röhren unter dem Deich,
die zur Unterspülung und damit Destabilisierung des
Deiches führen). Auch die Gefahr durch Schleusen und
Tore, die nicht rechtzeitig geschlossen werden, sowie
menschliches Versagen werden in die Wahrscheinlich-
keitsanalyse integriert. Die probabilistische Methode
versucht, die Wahrscheinlichkeit für eine Überschwem-
mung eines Polders zu bestimmen und die Akzeptanz
dieser in Zusammenhang mit den Folgen zu beurteilen.
Ausgehend von der Tatsache, dass das Versagen oder der
Bruch eines Elements der Schutzanlage (Seedeich, Düne,
Flussdeich, Schleuse, Pumpstation) zu einer Über-
schwemmung des gesamten Polders führt und die Wahr-
Extremes Risikopotenzial -
Hochwasser im Rheindelta
und Sturmflut an der Nordseeküste
Achim Schulte und Sophia Rohde
Eine Region besonderer naturräumlicher Ausprägung
und Sensitivität hinsichtlich des Risikopotenzials stellt
das Rheindelta dar, das zum überwiegenden Teil auf
niederländischem Staatsgebiet liegt. Ein Delta ist typi-
scherweise aus locker gelagerten Sedimenten aufgebaut,
die zunächst einen hohen Wassergehalt haben. Im Laufe
der Entwicklung sacken die abgelagerten Sedimente zu-
sammen, geben einen großen Teil ihres Wassergehaltes
ab und demzufolge sinkt die Deltaoberfläche ab - wie
im Rheindelta teilweise unter den Meeresspiegel. Auf der
Oberfläche des Deltas stellt das weitverzweigte und sich
stetig ändernde Flussnetz ein weiteres Hindernis für die
Inwertsetzung der Region dar.
Dies ist die Ausgangssituation für eines der umfas-
sendsten Schutz- und Entwicklungsprojekte, die bislang
in einer europäischen Deltaregion stattgefunden haben.
Um die räumliche Dimension zu verdeutlichen, seien
einige Zahlen genannt: Die Niederlande verfügen
insgesamt über 3500 Kilometer Deichlinie, davon
1430 Kilometer Flussdeiche und 1017 Kilometer Seedei-
che. Zum Küstenschutz dienen 430 Kilometer Deiche
und 260 Kilometer Dünenzüge. Die Niederlande sind in
53 Poldergebiete aufgeteilt, wobei der tiefste Punkt 6,74
Meter unter dem Amsterdamer Standardpegel NAP
liegt. Durch das Einpoldern liegen fast 40 Prozent der
Landesfläche unterhalb des Meeresspiegels, zwei Drittel
des Landes würden ohne das Deichringsystem über-
schwemmt werden (Abb. 2.44).
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