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Königreichs. Der Auftrag der Ponts et Chausées lag
anfänglich vor allem im Straßen- und Brückenbau. Pla-
nerisch wurden sie nur auf Anfrage von Flussanliegern
oder Gemeinden tätig. Vom beginnenden 19. Jahrhun-
dert bis in die 1860er-Jahre hinein kam man im Elsass an
den Nebenflüssen nicht über die Gründung von Fluss-
bausyndikaten hinaus: Syndikate, deren Mitglieder Ein-
zelpersonen waren, die aufgrund ihres Grundbesitzes an
einem Fluss vom Präfekten in diese fast rechtlosen Syn-
dikate beordert wurden, in denen sie selbst jedoch nichts
zu entscheiden, aber alles zu bezahlen hatten. Auf diese
Weise konnten schon aus finanziellen Gründen keine
großen Sprünge gemacht werden und einen flussbezo-
genen Gesamtplan, den man abarbeiten konnte, gab es
nicht. So ist es nicht verwunderlich, dass dort, wo sich
Industrie begann anzusiedeln und zu vergrößern, es die
Fabrikanten waren, die größere Flussbaumaßnahmen
nicht nur finanzierten, sondern auch planten. Hierfür ist
ein Beispiel Antoine Hertzog, Eigentümer einer Fabrik
im Fechttal, der in den 1840er-Jahren die Initiative
ergriff und den Fluss zwischen Turckheim und Ingers-
heim auf eigene Kosten mit (für etwa 30 Jahre) zuverläs-
sigen Dammbauten ausstattete.
Hinsichtlich des Rheins war die Entwicklung anders:
1808, noch auf dem Höhepunkt Napoleonischer Herr-
schaft, wurde in Strasbourg der Magistrat du Rhin
gegründet, der die Aufgabe hatte, die Ufer des Rheins
zwischen Hüningen und der Grenze zu den Niederlan-
den zu sichern (BlRF 1809). Nach dem Ende der Herr-
schaft Napoleons setzte nur langsam eine Zeit der Kon-
solidierung im Verhältnis Frankreichs zu seinen
badischen Nachbarn ein, die in gemeinsame Diskussio-
nen über die vorzunehmenden Arbeiten am Rhein
mündeten. Jedoch dauerte es noch bis zum Jahr 1840,
bis ein gemeinsamer Staatsvertrag hinsichtlich der
Grenzziehungen und der sich daran anschließenden
Korrektionsarbeiten zwischen Frankreich und dem
Großherzogtum Baden abgeschlossen werden konnte,
der den Beginn der Arbeiten zwischen Hüningen und
der Lautermündung markiert.
Auch wenn sich in der Folge badische Rheingemein-
den darüber beschwerten, dass die französischen
Dämme höher angelegt würden, als jene auf badischer
Seite (Froriep 1953), was zur Folge hätte, dass die
Rheinhochwasser nun auf das badische Gebiet gelenkt
würden, so wurden die Arbeiten entlang der franzö-
sisch-badischen Grenze im Wesentlichen bis 1876 abge-
schlossen und die Flussbausteuer wieder abgeschafft.
Heute ist die öffentliche Darstellung des Hochwasser-
risikos im Elsass weit stärker entwickelt, als in Baden-
Württemberg: In Frankreich kann sich jeder Bürger auf
der Internetseite von prim.net, die vom Ministère de
l'Ecologie, du Développement durable, des Transports et
du Logement betrieben wird, über die Risiken seiner
Gemeinde informieren (Hochwasser, Erdbeben, Gefahr-
guttransporte). In Baden-Württemberg wird hingegen
die staatliche Vor- und Fürsorge hervorgehoben, sodass
über die Gefahrenlage in den einzelnen Gemeinden bis-
lang nur wenige Informationen abrufbar sind.
Neben diesen Unterschieden lassen sich aber auch
Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen identifizieren.
Dazu zählt etwa der gerade durch die EU gegebene top-
down -Ansatz und die mangelnde Partizipation und
Integration der Bevölkerung in Planungsprozesse, die
bereits in der Vergangenheit - aber auch aktuell - zu
zahlreichen Konflikten und Bürgerbegehren geführt
haben und zwar auf beiden Seiten der Grenze. In der
Regel waren und sind Hochwasserschutzprojekte groß
angelegte und übergreifende Projekte langer Dauer, in
der die planenden Behörden relativ fixierte und bereits
finalisierte Verfahren und Vorstellungen umsetzen
möchten. Die Integration der Bevölkerung durch Ein-
spruchsmöglichkeiten bzw. durch Hearings oder auch
durch Auslage, wie sie das aktuelle Planungsrecht vor-
schreibt, scheint nicht mehr auszureichen, die Begehr-
lichkeiten der Bevölkerung vor Ort adäquat zu repräsen-
tieren. So sind derzeit über 100 Rechtsfälle allein am
Verwaltungsgericht in Freiburg anhängig, die sich gegen
Rückhaltemaßnahmen wenden, die das Ergebnis einer
bereits 1982 zwischen Frankreich und Deutschland ge-
schlossenen Vereinbarung über den weiteren Ausbau des
Rheins sind, die 1996 in das sogenannte „Integrierte
Rheinprogramm“ mündete. Vielleicht trägt dazu auch
eine sich seit den 1970er-Jahren aus den Protestaktionen
gegen den Bau eines Kernkraftwerkes in Wyhl entwi-
ckelnde „Kultur des Widerstandes“ bei.
Mit „Grenze“ sind heute jedoch vor allem „Ver-
waltungsgrenzen“ anzusprechen, die sich in jeweils un-
terschiedlichen Verwaltungsstrukturen, aber auch Me-
thoden und Verfahren der Berechnung von Hochwasser-
risiken und -jährlichkeiten manifestieren. Jeweils eigene
Regeln und Regularien, aber auch unterschiedliche Tra-
ditionen, wie beispielweise in der Ausgestaltung des
Pegelwesens und der damit verbundenen Laufzeiten von
Pegeldaten, erschweren teilweise die Forschung.
Für das Oberrheingebiet ist es möglich, historisch
hoch aufgelöste raumzeitliche Muster der Hochwasser-
geschichte, -gefahren und des -risikos abzuleiten und
darin sowohl lokale wie auch regionale und überregio-
nale Dimensionen von Hochwasserereignissen abzu-
bilden. Veränderungen im langfristigen Auftreten von
Hochwasserereignissen lassen sich zum Teil mit groß-
klimatischen Strukturen und/oder übergeordneten tech-
nischen Maßnahmen korrelieren, während gegenläufige
Entwicklungen mit Quellenlücken, kleinräumigen wit-
terungsklimatischen Ereignissen und räumlich-zeitlich
unterschiedlich einsetzenden technischen Maßnahmen
erklärt werden können. Die Rekonstruktion der zu-
grundeliegenden klimatologischen und witterungskli-
matologischen Voraussetzungen ist auf verschiedenen
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