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In-Depth Information
zieht die Resilienz und damit Fragen der Anpassungs-
strategie und die Adaptionskapazitäten mit in Betracht.
Hierzu zählt vor allen Dingen die Frage des Bewusst-
seins, der kollektiven Erinnerung, des Fachwissens, der
technischen Möglichkeiten und des Finanzkapitals
sowie der Ausstattung an Wissen um die Prävention, der
Risikokommunikation und der Vorhersage- und Früh-
warnsysteme (Abb. 2.43).
Besonders spannend ist das Oberrheingebiet auch
deshalb, weil sich hier in der Vergangenheit zwei kon-
kurrierende Systeme der Metaebene gegenüberstanden:
auf der einen Seite das seit dem 17. Jahrhundert stark
zentralistisch organisierte, politisch erstarkende König-
reich Frankreich und auf der anderen Seite das immer
schwächer werdende Heilige Römische Reich Deutscher
Nation, das sich am Ende des 30-jährigen Krieges (1618 -
1648) in einem kleinräumigen Puzzle von Kleinstterri-
torien und unabhängigen Kleinststaaten wiederfand.
Das Oberrheingebiet muss in seinem historischen
Kontext als eine Grenzregion verstanden werden, die
von vielfachen Konflikten, Kriegen und Revolutionen
geprägt war. Politische Veränderungen gingen jeweils
einher mit dem Verlust an Archivalien und Informatio-
nen, was für kriegerische Auseinandersetzungen typisch
ist. Jede dieser Auseinandersetzungen führte auch zu
Verlusten von Information und Wissen der jeweils vo-
rangegangenen Administration und begründete wie-
derum eigene institutionelle Strukturen, in der neues
Wissen erst wieder aufgebaut werden musste. Neue
Regularien und Gesetze lösten die bislang bestehenden
ab und verhinderten dadurch Kontinuität. Wirtschafts-
krisen taten ein Übriges. Aber auch die Frage der Akzep-
tanz und der Kontinuität, all jener Dinge, die heute
unter dem Aspekt der collective long-term memories sub-
sumiert werden können, hat damit jeweils eine Neuin-
terpretation erfahren.
Es hat sich gezeigt, dass bei einem Vergleich des
Elsass mit dem ehemals badischen Teil des heutigen
Landes Baden-Württemberg deutlich zwischen den
Hochwasserschutzmaßnahmen am Rhein und jenen an
den jeweiligen Nebenflüssen unterschieden werden
muss. Nach der Gründung des Großherzogtums Baden
(1806) und den nachfolgenden Gebietszuwächsen, die
das Gebiet um das Siebenfache vergrößerten, war die
Frage gestellt, wie dauerhaft an den Flüssen gearbeitet
werden konnte, um die landwirtschaftliche und ge-
werbliche Produktion zu stärken. Hier setzte Johann
Gottfried Tulla (1770 - 1828) Maßstäbe: Erst seine
strukturellen Vorstellungen von Zuständigkeiten, Refi-
nanzierung der Maßnahmen und Aufhebung der Fron-
dienste für den Flussbau versetzten das Land in den
Stand, eine nicht nur technisch auf dem höchsten
Niveau agierende Flussbaubehörde zu schaffen, son-
dern die Maßnahmen auch auf eine lange Sicht hin
durch eine eigene Flussbausteuer zu finanzieren und
wo diese nicht ausreichte, staatliche Zuschüsse zu ge-
währen. Diese Vorstellungen wurden 1816 in Gesetze
umgesetzt und ermöglichten so den Start der Arbeiten.
Die Gemeinden, die nun nicht mehr Frondienste leis-
ten mussten, sondern für ihre Arbeit bezahlt wurden,
unterstützten in der Folge (bis auf ganz wenige Aus-
nahmen) jegliche Flussbauarbeiten. Diese Arbeiten er-
strecken sich jedoch nicht nur auf den Rhein, sondern
auch auf alle größeren Rheinzuflüsse.
Diese zentrale Planung, Finanzierung und Organisa-
tion ist der wesentliche Unterschied zum Elsass hin-
sichtlich der Nebenflüsse: Zwar war im Elsass bereits seit
1716 das Corps des Ponts et Chausées aktiv - die Region
selbst galt jedoch als eine Randregion des französischen
Hochwasserereignis
Hochwasserwahrnehmung
Bewertung
Vulnerabilität
Exposition & Anfälligkeit
relativer
Schaden
Hochwassergefahr
Eintritts-,
Überschreitungs-
wahrscheinlichkeit/
Wiederkehrintervall
Hochwassertiefe, -intensität
Wertedichte/Über-
schwemmungsfläche
Abfluss
Wassertiefe
<0,5 m
0,5-2 m
>2 m
nicht betroffene Gebäude
betroffene Gebäude durch
100-jähriges Hochwasser
10-, 50-, 100-jähriges
Hochwasser
Wiederkehr-
intervall
Hochwasserrisiko
ökonomischer Schaden
Resilienz
Umgangs- und Anpassungskapazität
Ausstattung
• Wissen
• Kapital
• Technik
Hochwasserrisikomanagement
Vermeidung, Reduktion, Bewältigung, Nachsorge
Abb. 2.43 Zusammenhang zwischen Hochwassergefahr und
Hochwasserrisikomanagement (verändert nach: Merz et al.
2011).
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