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Zuteilungen der Regierungen der Teilnehmerstaaten an
die Emittenten gestattet. Damit wurde jeder Anlage eine
Obergrenze an Verschmutzungsrechten (engl. cap ) zu-
geteilt. Dieses als grandfathering bezeichnete Vorgehen
der kostenlosen Verteilung hat zu einer massiven Über-
allokation in der Pilotphase und einer völligen Entwer-
tung der Zertifikate geführt. Diese Erfahrung hat ge-
zeigt, dass der ursprüngliche Gedanke, die Menge der
zugeteilten Emissionsrechte sukzessive weiter zu senken
(Europäische Kommission 2009c) einer gewissen Kon-
trolle durch eine Zentralinstanz bedarf. Nur so kann
verhindert werden, dass die anfänglich über die Natio-
nalstaaten vorgenommene Verteilung an die Industrie
dazu führt, dass aufgrund mangelnder Nachfrage keine
Preisbildung und damit auch keine Anreize für Emis-
sionsreduktionen zustandekommen. Ab 2013 wird es
daher in der zweiten Verpflichtungsperiode statt der bis-
herigen nationalen Grenzwerte eine EU-weite Ober-
grenze geben, die jährlich abgesenkt wird (Europäische
Kommission 2009b).
Weil sich die Handelsteilnehmer Klimaschutzpro-
jekte im Ausland anrechnen lassen können und auch
hier eine entsprechende Kontrolle fehlt, besteht die
zusätzliche Gefahr, dass keine oder nur wenige Treib-
hausgasemissionen eingespart werden. Kritisiert wird
am europäischen Emissionshandel vor allem die bishe-
rige meist kostenlose Zuteilung von Zertifikaten und die
Ausnahmen für energieintensive Betriebe, die wegen
befürchteter Standortverlagerungen eingeräumt wur-
den. Dadurch konnten in Deutschland die großen
Stromkonzerne und wichtige Industrieunternehmen
Zusatzgewinne im Milliardenbereich realisieren (Her-
mann et al. 2010, o. Autor 2011). Kritiker bemängeln
zudem, dass zurzeit nur etwa 40 Prozent der Treibhaus-
gasemissionen in das europäische Emissionshandelssys-
tem einbezogen werden; auf das Fehlen wichtiger Emis-
sionssektoren wurde bereits oben hingewiesen. Seit 2012
wird der europäische Flugverkehr in das EU ETS einbe-
zogen (Europäische Kommission 2009c).
Insgesamt stellt der beschriebene Emissionshandel
die wichtigste Säule des Europäischen Klimaschutzpro-
gramms dar. Um die Kyoto-Verpflichtung der EU ein-
halten und die CO 2 -Emissionen um durchschnittlich
8 Prozent im Zeitraum 2008 bis 2012 reduzieren zu kön-
nen, wurden innerhalb der EU für jeden Mitgliedsstaat
verbindliche Ziele festgelegt ( burden sharing ). Griechen-
land, Irland, Portugal, Schweden und Spanien wurde
eine Zunahme ihrer Emissionen zugestanden (Senne-
kamp & Glaser 2011).
Neben dem Emissionshandel setzt die EU als weitere
Maßnahme auf die noch in der Erprobung befindliche
und umstrittene Technologie Carbon Capture and Sto-
rage (CCS), bei der das zum Beispiel in industriellen
Prozessen anfallende CO 2 abgetrennt und in unterirdi-
sche Speicher eingelagert wird.
Deutlich größeres Gewicht haben die sogenannten
20-20-20-Ziele, die 2009 verbindlich beschlossen wur-
den: Bis 2020 sollen 20 Prozent weniger Treibhausgase
als 1990 emittiert werden, der Energieverbrauch soll um
20 Prozent sinken und der Anteil der erneuerbaren
Energien auf 20 Prozent ausgebaut werden (Europäische
Kommission 2010). Darüber hinaus hat die EU unter
der Bedingung erfolgreicher Verhandlungen zu einem
Post-Kyoto-Klimaschutzabkommen in Aussicht gestellt,
das Reduktionsziel auf 30 Prozent zu erhöhen, wie es
einige Länder von Anfang an gefordert hatten (Borloo et
al. 2010). Diese Absichtserklärung ist jedoch EU-intern
umstritten: „Nach wie vor wird Energiepolitik [in Ost-
europa] nicht als Klimapolitik, sondern als die Auswei-
tung und Sicherstellung der Versorgung buchstabiert“
(Tatje & Tenbrock 2008). So befürchten die osteuropä-
ischen Mitgliedsstaaten, dass sie bei höheren Reduk-
tionszielen deutlich höhere Energiepreise bezahlen
müssten. Der dortige Umgang mit Energie ist oft ineffi-
zient. Gebäudesanierungen könnten einen wesentlichen
Beitrag dazu leisten, den Energieverbrauch zu senken.
Auch die Art der Energieerzeugung ist wenig effizient
und beruht in vielen Ländern noch auf emissionsinten-
siven fossilen Energieträgern wie Kohle. So erzeugt
Polen 95 Prozent seines Stroms aus Kohle mit einem
durchschnittlichen Wirkungsgrad von 36 Prozent (Tatje
& Tenbrock 2008).
Der Ausstoß an Treibhausgasen hängt teilweise von
der wirtschaftlichen Entwicklung ab. So weisen mit Lett-
land und Rumänien zwei wirtschaftsschwache Staaten
den niedrigsten Pro-Kopf-Ausstoß auf. Nach dem wirt-
schaftlichen Niedergang ging er in den Ländern des ehe-
maligen Ostblocks in den 1990er-Jahren absolut be-
trachtet deutlich zurück. In vielen osteuropäischen
Mitgliedsstaaten steigen die Emissionen allerdings seit
etwa Ende der 1990er-Jahre durch eine zunehmende
Mobilität, einen überalterten Kraftwerkspark und der
mit dem wirtschaftlichen Aufschwung verbundenen
Nachfrage nach Energie wieder an (EEA 2011a).
In ihren 20-20-20 Zielen hat sich die EU vorgenom-
men, die erneuerbaren Energien auszubauen, wofür es
verschiedene politische Ansätze gibt: Erstens kann man
wie in Deutschland und den meisten EU-Ländern auf
Einspeisevergütungen setzen, deren Höhe letztendlich
eine politische Entscheidung darstellt. Sie sinken in
gewissen Abständen, um einen Anreiz für die Anlagen-
hersteller zu schaffen, ihre Produkte günstiger herzustel-
len. Ein weiteres Instrument sind (in Belgien, Italien,
Polen, Rumänien, Schweden und dem Vereinigten
Königreich) Quotenvorgaben, bei denen Stromprodu-
zenten oder -verbraucher verpflichtet werden, einen
bestimmten Stromanteil mit erneuerbaren Energien zu
decken (Ecofys 2011).
Wie wichtig ein koordiniertes europäisches Vorgehen
beim Ausbau der erneuerbaren Energien ist, machen
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