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Die gemäßigten Extreme unserer Breiten
Wehre und Mühlen. Dadurch war sowohl die Infra-
struktur als auch die energetische Versorgung massiv be-
troffen. Die historischen Beschreibungen vermitteln ein
apokalyptisches Szenario mit flächenhaftem, schichtflu-
tenartigem Abfluss, während die natürlichen Reten-
tionspotenziale wie außer Kraft gesetzt wirkten. Ganze
Hänge rutschten ab. Es kam zu Schluchtenreißen unter
Wald und in der Agrarlandschaft wurden tiefe Erosions-
rinnen geschaffen, die bis heute landschaftsbestimmend
sind. An anderen Orten wurden meterhohe Sediments-
chichten abgelagert. Bork & Bork (1987) gehen vom
größten landschaftsprägenden Einzelereignis in den
letzten 1000 Jahren in Europa aus. In Teilen des Main-,
Weser- und Elbegebietes fiel in den rund 8 Tagen Ende
Juli/Anfang August rund die Hälfte des sonst üblichen
Jahresniederschlages. Dadurch, dass sich dieses Ereignis
ohnehin in einem komplexen Epochenwandel - geprägt
von den Auswirkungen einer allgemeinen Klimaabküh-
lung, dem mentalen Schock des Erdbebens von Basel
1356 und dem Auftreten der Pest 1349 - ereignete, kann
es auch als traumatisierendes und epochenbildendes
Ereignis europäischen Ranges bezeichnet werden. Es
fand sich noch Jahrhunderte danach im kollektiven
Gedächtnis verankert.
In dieser Reihe muss auch der Sturm im August des
Jahres 1588 erwähnt werden, der der durch diverse
Kämpfe im Ärmelkanal bereits deutlich geschwächten
und sich auf dem Rückweg über Schottland befind-
lichen spanischen Armada empfindliche Verluste bei-
fügte. Damit war das Ende der damaligen Großmacht
besiegelt und der Aufstieg der Engländer nahm seinen
Das klimatische Geschehen Mitteleuropas weist neben
den lang- und mittelfristigen Änderungen immer wie-
der auch Anomalien und Extreme auf. Die intensive
mediale Aufarbeitung solcher Ereignisse in den ver-
gangenen Jahren ließ den Eindruck einer auffallenden
Häufung von Stürmen, Hochwasserereignissen, Hitze-
sommern und Dürren entstehen, die mit dem Treib-
hauseffekt in Zusammenhang gebracht werden. Zweifel-
los sind die Orkane Vivian und Wiebke (1990) oder der
Weihnachtssturm Lothar (1999) sowie Kyrill (2007) ein-
drucksvolle Beispiele witterungsklimatischer Extreme -
ähnlich der Oderflut im Juni 1997 oder dem Hochwas-
ser an Donau, Elbe und Moldau im August 2002 (Abb.
2.22). Der Hitzesommer 2003 mit bis zu 70 000 Todes-
fällen und der vor allem in Osteuropa Waldbrände ver-
ursachende Hitzesommer 2010 mit bis zu 50 000 Toten
gelten als die größten Naturkatastrophen der letzten
Jahrhunderte in Europa.
Ohne hier die Frage zu diskutieren, inwieweit diese
individuellen Klimaereignisse in direktem Kausalzu-
sammenhang zum anthropogenen Klimawandel zu
sehen sind, haben Witterungsextreme europäischer
Dimension auch in geschichtlicher Zeit stattgefunden
und das Leben der Menschen auf mehr oder minder
dramatische Weise beeinflusst.
Zu den epochalen Ereignissen zählt die Hochwasser-
katastrophe von 1342. Die Schäden in Mitteleuropa
waren gewaltig. Zahlreiche steinerne Brücken in West-
und Mitteldeutschland wurden zerstört, ebenso wie
Abb. 2.22 Höchststand des Hochwassers von 2002 an einem Kiosk im Prager Zoo. Im Mittel führt die Moldau 150 m 3 /s, der Spit-
zenabfluss dieses Hochwasserereignisses wurde auf 5300 m 3 /s geschätzt. Unter den Opfern des Hochwassers befand sich auch
ein Elefant des Zoos, der in den Fluten ertrank (Foto: Rüdiger Glaser).
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