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Abb. 2.21 Nur wenige Hundert Meter unterhalb der Schneefelder des anschließenden Fjells wird im Sørfjord in Norwegen Obst
angebaut (Foto: Johannes Schönbein).
Klima eigentlich, oder zumindest das Wissen darüber?
Ist es Allgemeingut, oder modernistisch formuliert ein
wesentlicher Bestandteil der Ökosystemfunktionen und
der Ökosystemleistung? Eine conditio sine qua non des
als Leben definierten Daseins?
Zumindest kulturhistorisch könnten wir Europäer
auf starke Wurzeln verweisen. In der Antike wurde das
bekannte Wissen zum Klima durch Aristoteles in seiner
Meteorologica präsentiert. Das Werk wurde über Jahr-
hunderte zum bestimmenden Erkenntnisstand und
prägte Denkweisen und Ansichten. Ein Wissen, das
durch die arabische Tradierung Europa erhalten blieb,
denn auch die Meteorologie des Aristoteles wurde erst
von Gerhard von Cremona (1114 - 1187) in Toledo aus
dem Arabischen ins Lateinische übersetzt und gelangte
damit in den „Kulturkreis des Abendlandes“. Vielfach
bezogen sich weitere Ausführungen zum Klima auf die-
ses epochale Werk. Lange Zeit blieb es bei Neuinterpre-
tationen und Kommentierungen, selten konnten echte
Fortschreibungen konstatiert werden. Selbst ein Alber-
tus Magnus (1193 - 1280), der neue Wege der Einbin-
dung der aristotelischen Weltsicht in die christliche
Glaubenslehre ergründete, beließ es bei diesen Ergän-
zungen und Kommentierungen, ohne die Erkenntnisse
selbst methodisch weiterzuentwickeln. Noch in der Frü-
hen Neuzeit zeigten naturwissenschaftliche Werke die
Persistenz antiken und mittelalterlichen Wissens auf,
während damals aktuelle Erkenntnisse wie die Heliozen-
trik des Kopernikus erst nach und nach Verbreitung fan-
den. So haben noch in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts Werke wie der anonym überlieferte Lucidarius
(Ende 12. Jahrhundert) oder das Naturbuch des Konrad
von Megenberg (circa 1350) in unveränderter Form
zahlreiche Druckauflagen erfahren, obwohl das darin
dargestellte Wissen Jahrhunderte alt war. Es belegt die
Hochschätzung, die auctoritas , des Alters eines Werkes
als Zeichen seiner immanenten Qualität.
Trotzdem entwickelte sich der Kenntnisstand zum
Klima fort, allerdings regional und auf bestimmte sozi-
ale Schichten begrenzt. Im Italien der Renaissance waren
technische, intellektuelle und wissensbildende Voraus-
setzungen gegeben, aus denen Protagonisten wie Galileo
ihre Annahmen und Beobachtungen mit den techni-
schen Möglichkeiten zusammenführten und daraus
erste instrumentelle Messungen des Klimas entwickel-
ten. Damit waren dem Klima Maß und Zahl verliehen,
blieb es nicht mehr nur Gegenstand hermeneutischer
Alltagserfahrung, sondern wurde empirische Beschau
und wesentlicher Bestandteil unserer kausal-mechanis-
tischen Sichtweise.
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