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Fazit
es, dass sich der Hauptstrom der statistisch erfassten,
europäischen Müllexporte von Afrika zunächst nach
Osteuropa verlagerte.
Schlupflöcher bei diesen Regelungen ergeben sich
jedoch aus der Deklaration der Abfälle: Zwar ist auch der
Handel mit Abfällen für Recyclingzwecke, der oftmals
mit hohen Umwelt- und Gesundheitsrisiken verbunden
ist, formal untersagt. Wenn die Abfälle jedoch nicht als
Abfall zu Recyclingzwecken gekennzeichnet sind, son-
dern als gebrauchte Ware, fallen diese nicht unter die
Baseler Konvention (Clapp 2001).
Schätzungen zufolge werden heute trotz der zahlrei-
chen Regelungen 10 Prozent des global produzierten
Mülls legal exportiert, mit einem steigenden Anteil an
gefährlichem Müll. Dieser gefährliche Müll stammt zu
90 Prozent aus den Industrieländern, 20 Prozent der
Exporte fließen jedoch in Entwicklungsländer. Hinzu
kommen unbekannte Mengen illegaler Transporte. Auch
bei den Exporten giftigen Mülls aus Europa handelt es
sich weitestgehend um illegal als recyclingfähiges Mate-
rial gekennzeichneten Abfall, da der Export von wieder-
verwertbarem Müll nach wie vor legal ist (Brot für die
Welt 2006). So werden etwa jährlich mehrere Millio-
nen Tonnen europäischen Elektroschrotts als gebrauch-
te Ware ausgegeben und vorwiegend nach China und
Indien exportiert. Dort wird der Müll unter widrigen
Arbeitsbedingungen, unter Gefährdung der mensch-
lichen Gesundheit und in Verbindung mit starker Um-
weltverschmutzung notdürftig recycelt. Doch nicht nur
in der Qualität stellt Elektroschrott ein besonderes Pro-
blem dar, denn auch die Quantität des jährlich in der
EU produzierten Elektromülls nimmt jährlich ungefähr
3 Prozent zu (2008 ca. 9 Millionen Tonnen). Auch die
Verschrottung ausgedienter Schiffe in Entwicklungslän-
dern ist nicht verboten, dabei enthalten diese oftmals
gefährliche Substanzen wie Asbest und Ammonium
(Moen 2008). Zudem fehlt nach wie vor eine internatio-
nal festgelegte Definition für den Begriff des „gefähr-
lichen Mülls“ (Brot für die Welt 2006). Den Antrieb für
die Müllexporte und damit für die Verlagerung von Um-
weltschäden aus Europa in ärmere Länder bilden in der
Regel finanzielle Anreize: Das Recycling einer Tonne
Elektroschrott in Europa kostet etwa 200 Euro, der
Transport nach Asien lediglich 100 Euro/Tonne. Dabei
ist der entstehende Schaden in den Entwicklungslän-
dern bedeutend größer als in Europa, da dort oftmals
kein Müllentsorgungssystem eingerichtet ist und die nö-
tige Infrastruktur zum Recycling des Abfalls fehlt (Brot
für die Welt 2006).
Hans Gebhardt und Sebastian Lentz
Europas Rolle in der Welt hat sich in jedem der vergan-
genen Jahrhunderte einerseits verändert, andererseits
weist sie auch Konstanten auf. Die globale Bedeutung
europäischer Philosophie und Kunst, europäischer
Wirtschaft und Politik war immer größer als man es
angesichts der relativ kleinen Fläche des Kontinents er-
warten könnte. Ob und wie das in Zukunft der Fall sein
kann, darüber gehen die Meinungen von Wissenschaft-
lern und Buchautoren derzeit weit auseinander. An ent-
sprechenden Publikationen ist kein Mangel (Exkurs
8.7). Szenarien zum „Untergang des Abendlandes“ (ein
Topos schon seit dem geschichtsphilosophischen Werk
Oswald Spenglers, verfasst unmittelbar nach dem Ende
des Ersten Weltkriegs), auch das geradezu masochisti-
sche Schwelgen in abendländischer Schuld, verbunden
mit postkolonialer Bußfertigkeit, sind ebenso dabei wie
Rückbesinnungen auf die Stärken des alten Kontinents,
auf seine liberalen Traditionen, seine Philosophie und
Kultur.
So schreibt Barnett (1995): „ Geographers are busy
grabbing for their share of colonial guilt so as not to lose
out on their share of spoils of the most exciting and inno-
vative realms of contemporary theory.“ Der französische
Philosoph Pascal Bruckner entfacht in seiner Streit-
schrift „Der Schuldkomplex. Vom Nutzen und Nachteil
der Geschichte für Europa“ eine Debatte über Europas
Verhältnis zur eigenen Geschichte. Ganz gleich, ob we-
gen Sklaverei, kolonialer Vergangenheit oder Faschismus
- in Europa sei das Sprechen über Schuld und Scham
seit dem Zweiten Weltkrieg das wichtigste politische und
moralische Gebot geworden. „Seit 1945 sind wir es ge-
wohnt, in einer übertriebenen, unreflektierten Büßer-
haltung zu erstarren. Beinahe lustvoll, so scheint es,
erinnern wir uns immer wieder an unsere schuldhafte
Verstrickung in vergangene Kriege, religiöse Verfolgung,
Diktatur oder Sklaverei“(Bruckner 2008). Diese perma-
nente Büßerhaltung verstelle jedoch den Blick dafür,
wie wir verantwortungsvoll mit der eigenen Geschichte
umgehen und für die Zukunft aus ihr lernen und Ver-
antwortung übernehmen können.
Die These, dass Europa weniger vergangene Schuld
zu beklagen als künftige Verantwortung zu übernehmen
habe, wird in Alan Poseners Werk „Imperium der
Zukunft. Warum Europa Weltmacht werden muss“
deutlich. Posener plädiert für eine Neubewertung des
Imperiums. Das Römische Reich und das British Empire
waren in seiner Sicht liberale Schutzmächte. Das Heilige
Römische Reich und der multikulturelle Schmelztiegel
der österreichisch-ungarischen Donaumonarchie wirk-
ten über Jahrhunderte stabilisierend auf das Zusam-
 
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