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von Schwellen- und Entwicklungsländern als Ursache
für den Klimawandel dargestellt. Dabei erweist es sich
als entscheidend, welche Risikokonstruktionen den
Repräsentationen des Klimawandels zugrunde liegen -
ob dieser als Bedrohung für die Ernährungssicherheit in
Ländern des globalen Südens dargestellt wird, als Gefahr
für sensible Ökosysteme oder die nationale Sicherheit,
entscheidet maßgeblich über Strategien und Zuständig-
keiten in der Klimapolitik. Insbesondere birgt die Reprä-
sentation des Klimawandels als eine primär globale Be-
drohung die Gefahr, dass die heterogenen sozialen und
politischen Kontexte aus dem Blick geraten, in denen
sich Umweltveränderungen vollziehen und sich als lo-
kale Gefahren konstituieren, denn mit jeder Festlegung
globaler Temperaturgrenzen geht immer auch eine Fest-
legung akzeptierter Schäden, die regional durchaus als
gefährlich oder katastrophal bewertet werden können,
einher (Liverman 2009). Durch die Betonung eines
„oneworldisms“ und „ourcommonfuture“ wird somit von
der eigenen Verantwortung der Wirtschaftsnationen
abgelenkt (Agarwal & Narain 1998).
Gleichzeitig kritisieren vor allem postkoloniale Auto-
rinnen und Autoren, dass in bereits industrialisierten
und wirtschaftlich hoch entwickelten Ländern eine
Angst vor der wirtschaftlichen Entwicklung des Südens
geschürt würde. Stattdessen sei es aber moralisch not-
wendig, zwischen Luxusemissionen der Reichen und
überlebenswichtigen Emissionen der Armen zu diffe-
renzieren. In der politischen Debatte finden sich solche
Denkansätze in erster Linie in den Argumentationen
bevölkerungsreicher Entwicklungs- und Schwellenlän-
der, wie etwa Indien oder Brasilien wieder. Diese for-
dern, CO 2 -Emissionen nicht auf Nationalstaaten zu
beziehen, sondern vielmehr die Pro-Kopf-Emissionen
innerhalb dieser Länder den Berechnungen zugrunde zu
legen (Agarwal & Narain 1998). Bislang findet diese
Position in der politischen Arena jedoch wenig Gehör.
Vielmehr ist nach wie vor die Rahmung des Klimawan-
dels als nationalstaatliches Problem dominant und folg-
lich werden Fragen der Verantwortlichkeit, Fairness und
der Rechte nicht mit Bezug auf Individuen oder soziale
Gruppen verhandelt, sondern stattdessen in Bezug auf
Nationalstaaten.
Unmittelbar relevant für politische Entscheidungen
werden diese unterschiedlichen Sichtweisen in der der-
zeit stattfindenden securitization des Klimawandels, in
der dieser zunehmend als Gefahr für die Sicherheit von
Nationalstaaten dargestellt wird (Brauch 2009). Als Aus-
druck dieser „Versicherheitlichung“ des Diskurses kön-
nen sowohl das Aufgreifen des Themas „globaler Klima-
wandel“ im Sicherheitsrat der UN 2007 als auch der im
Juni 2007 erschienene Bericht des Wissenschaftlichen
Beirats der Bundesregierung „Globale Umweltverände-
rung“ zum Thema „Sicherheitsrisiko Klimawandel“
(WBGU 2007) sowie die populärwissenschaftlichen
Publikationen von Dyer (2008) „Climate Wars“ und von
Welzer (2008) „Klimakriege“ interpretiert werden.
Diese Veröffentlichungen gehen davon aus, dass sich
durch den Klimawandel die (Über-)Lebensbedingungen
in vielen Ländern für die lokale Bevölkerung dramatisch
verschlechtern werden und es in der Folge zu klima-
induzierten Migrationsbewegungen kommen wird, die
einen erheblichen Migrationsdruck auf die „Wohl-
standsinseln“ Nordamerikas und Westeuropas ausüben
werden. Aus politisch-geographischer Sicht werfen diese
Darstellungen die Frage auf, wessen Sicherheit hier in
erster Linie als schützenswert konstruiert wird - die von
Staaten, was den Schutz nationalstaatlicher Grenzen und
entsprechend die „Abwehr“ von Migranten impliziert,
oder die der betroffenen Individuen, die sich auf der
Flucht vor zunehmend unwirtlichen physischen Rah-
menbedingungen befinden (Dalby 2009).
Entsorgungsproblematik
Am 8. Februar 1992 wurden in The Economist Te i l e
eines internen Memos des damaligen Chefökonomen
der Weltbank, Lawrence Summers, veröffentlicht, in
dem dieser sich für eine Verlagerung umweltbelastender
Industrien in Entwicklungsländer aussprach: „Just bet-
ween you and me, shouldn't the World Bank been coura-
ging more migration of the dirty industries to the LDCs
[less developed countries]? … I think the economic logic
behind dumping a load of toxic waste in the lowest wage
country is impeccable and we should face up to that […]
I've always thought that under-populated countries in
Africa are vastly under-polluted“ (Lawrence Summers
1991, reprinted in The Economist, February 8, 1992,
p. 66, zitiert nach Clapp 2001).
Die Veröffentlichung dieser Äußerung führte zu
einem Aufschrei der Öffentlichkeit und lenkte die Auf-
merksamkeit auf einen Trend, der bereits seit den
1980er-Jahren eingesetzt hatte: den Export gefährlicher
Abfälle aus industrialisierten Ländern in Entwicklungs-
länder mit dem Ziel, diese dort endgültig zu entsorgen
( final disposal ). Nachdem ökologische NGOs und die
Medien zunehmend auf das Thema aufmerksam mach-
ten, wurde 1989 die Basel Convention on the Control of
Transboundary Movements of Hazardous Wastes and
Their Disposal verabschiedet. Diese Konvention schaffte
den Müllhandel zwar nicht vollständig ab, verschärfte
jedoch die Regeln zu dessen Kontrolle (Clapp 2001). Ins-
besondere untersagt die Konvention den Export aus
OECD-Staaten in Nicht-OECD-Staaten und schreibt
zudem vor, dass sämtliche Mülltransporte in den impor-
tierenden Staaten sowie sämtlichen Transitstaaten ge-
meldet werden müssen und eine Erlaubnis der zuständi-
gen Behörde des importierenden Landes erteilt werden
muss. Eine unmittelbare Auswirkung dieser Regelung ist
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