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und massive Kritik erregten die dortigen Vorkommnisse
vor allem nachdem 1995 der nigerianische Umwelt- und
Menschenrechtsaktivist Ken Saro-Wiwa und acht seiner
Mitstreiter verurteilt und hingerichtet wurden (Watts
2000). 2004 gab der Shell-Konzern in einem Bericht
öffentlich zu, mit seinen Ölgeschäften in Nigeria unwil-
lentlich Korruption, Armut und Konflikte geschürt zu
haben (Greenpeace 2004).
Auch die Gewinnung von anderen Rohstoffen führt
oftmals zu erheblichen ökologischen Schäden. So zer-
stört der Abbau von Mineralien und Erzen im Tagebau
große Landflächen. Daneben werden in vielen Fällen,
zum Beispiel bei der Gewinnung von Bauxit oder Eisen-
erz, auch Gewässer durch Abbauprodukte verseucht
(Curtis et al 2010, Faget 2010).
Diese und viele weitere Beispiele machen deutlich,
dass die Kosten und Nutzen von Rohstoffgewinnung
und -verbrauch oftmals sehr ungleich verteilt sind. In
vielen Fällen profitieren westliche Konzerne dabei von
niedrigeren Umwelt- und Sozialstandards in den expor-
tierenden Ländern.
Eine weitere interessante Facette erschließt sich,
wenn man die globalen Veränderungen des Weltberg-
baus in den letzten 100 Jahren betrachtet. Die regionalen
Schwerpunkte haben sich entscheidend verschoben.
Besaß um 1920 noch Europa eine Vormachtstellung,
indem hier über 60 Prozent aller Erzeugnisse des Welt-
bergbaus einschließlich Öl und Kohle gefördert wurden,
kam es in den darauffolgenden Jahrzehnten mit neuen
großen Funden zur Vormachtstellung der USA, welche
diese in den 1970er-Jahren an die damalige UdSSR
abtreten mussten. In der heutigen Zeit nimmt der Ein-
fluss Chinas und rohstoffreicher Entwicklungsländer
deutlich zu, ebenso der von Australien, Kanada und
Südafrika. Eine Konzentration und Dominanz - wie sie
während der europäischen Vorrangstellung bestand - ist
heute allerdings nicht mehr zu erkennen, wie Abbildung
8.9 zeigt (Haas & Schlesinger 2007).
des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT)
eine herausgehobene Rolle. Sie verfügt über ein erheb-
liches Maß an Macht und Einfluss, da sie als einzige
internationale Institution im Handelssektor über ein
Schiedsgericht und Sanktionsmacht verfügt. Ihr Ziel ist
im Wesentlichen die Öffnung des globalen Marktes für
alle Länder und Güter und die Abschaffung von wie
auch immer gearteten Handelshemmnissen (technische,
ökologische, soziale Standards und Vorschriften, Sub-
ventionen). Im Gegensatz zum GATT reguliert die
WTO nicht nur den Handel industrieller Produkte,
sondern auch den der Agrargüter und Dienstleistungen.
Aufgrund des großen Einflusses der WTO wird das Ziel
des grenzenlosen Handels damit zu einer der Haupt-
leitlinien internationaler Handelspolitik (Sachs & San-
tarius 2006).
Problematisch ist die daraus resultierende weitge-
hende Öffnung nationaler Märkte für den Welthandel
vor allem deswegen, weil in der Praxis die unterschied-
lichen politischen Machtpotenziale einzelner Länder
(beispielsweise ausgeübt über die Vergabe oder Verwei-
gerung von Entwicklungshilfen) dazu führen, dass
ärmere Länder durch politischen Druck mehr oder
weniger gezwungen werden, durch die Erhebung von
nur sehr geringen Einfuhrzöllen den eigenen Markt für
ausländische Waren zu öffnen. Gleichzeitig erheben
Industrieländer selbst aber oftmals hohe Schutzzölle auf
einzelne Waren, um ihren eigenen Binnenmarkt vor
Importen aus dem Ausland zu schützen (Khor 2003). Im
Agrarsektor kommt noch hinzu, dass die EU hier eine
Reihe von Produkten massiv subventioniert. In der
Kombination führt dies dazu, dass Exporte aus der EU
in Entwicklungsländern teilweise zu Dumpingpreisen
angeboten werden und dort die einheimischen Waren,
die im Vergleich deutlich teurer sind, vom Markt ver-
drängen (Brot für die Welt 2006). Beispielsweise bedroht
in Europa subventioniert hergestelltes Milchpulver die
Existenzen senegalesischer Milchbauern, die mit den
Niedrigpreisen der importierten Produkte nicht mithal-
ten können (Dugge 2009).
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die
Relationen zwischen Entwicklungshilfegeldern einer-
seits und Agrarsubventionen andererseits: Im Jahr 2009
gab die Europäische Union (27 Mitgliedsstaaten und die
Europäische Kommission) 48,2 Milliarden Euro für Ent-
wicklungshilfe aus, was mehr als der Hälfte der weltwei-
ten öffentlichen Entwicklungshilfe entsprach (Europäi-
sche Kommission/Amt für Zusammenarbeit EuropeAid
2010). Gleichzeitig gab die Europäische Union aber auch
etwa 55 Milliarden Euro pro Jahr für die Agrarpolitik
und innerhalb dieser Summe einen großen Anteil für
Agrarsubventionen aus (Bonakdar 2008). In anderen
Worten: Die Außenpolitik der EU ist an dieser Stelle
mindestens widersprüchlich. Während auf der einen
Seite der ländlichen Bevölkerung in armen Ländern
Ernährungssicherheit
Noch dramatischer als beim Rohstoffhandel zeigen sich
die Auswirkungen bestehender Machtstrukturen in der
Organisation von Außenhandelsbeziehungen im Agrar-
sektor. Denn hier wirken sich die „Imperative des globa-
len Marktes“ oftmals direkt auf die Möglichkeiten von
Individuen aus, sich selbst ausreichend und zu fairen
Konditionen mit Nahrungsmitteln zu versorgen.
Die Hegemonie des westlich-modernen Modells von
globalem Wirtschaften ebenso wie die in ihm entste-
henden Formen sozialer Ungleichheit werden in der
Preis- und Außenhandelsstruktur von Agrargütern ge-
spiegelt. Als globale Regulierungsinstanz spielt hier die
WTO seit ihrer Gründung als Nachfolgeorganisation
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