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Abb. 7.26 Spanischer Hochgeschwin-
digkeitszug AVE ( Alta Velocidad Espa-
nola ) der Serie S 102 im März 2009 auf
der Neubaustrecke Córdoba-Málaga,
wenige Kilometer nach dem Verlassen
von Córdoba (Foto: Renfe).
Die verschiedenen intranationalen Raumstrukturen
in Europa sowie die verschiedenen Eisenbahnsysteme
der einzelnen Staaten haben nicht nur zu Unterschieden
in der Frage Neubau- versus Ausbaustrecken geführt,
sondern haben allgemein national individuelle Hochge-
schwindigkeitssysteme bewirkt. So weist das räumlich
eher zentralistisch geprägte Frankreich ein Hochge-
schwindigkeitsstreckennetz auf, das stark auf Paris und
dessen Verbindungen mit den wenigen übrigen Groß-
städten des Landes ausgerichtet ist. Infolgedessen gibt es
zwischen den Start- und Zielbahnhöfen nur wenige
Zwischenhalte, was zu einer hohen Reisegeschwindig-
keit des TGV führt.
Im Gegensatz dazu weist das ICE-Netz im räumlich
dispers strukturierten Deutschland wesentlich mehr
Zwischenhalte inklusive sogenannter Systemhalte auf,
die weniger der Erschließung des Raumes, sondern in
erster Linie der Herstellung von Umsteigemöglichkeiten
dienen. Auch wurden in Deutschland häufiger als in
anderen Ländern Ausbaustrecken errichtet, auf welchen
sogenannter Mischverkehr betrieben wird, das heißt, die
Hochgeschwindigkeitszüge teilen sich die Trassen mit
„normalem“ Fernverkehr, Güterverkehr und Regional-
verkehr. Dies birgt erhebliche Risiken für die Fahrplan-
treue des Hochgeschwindigkeitsverkehrs (Abb. 7.27). In
Spanien ist dieses Problem kaum gegeben, da dort die
in europäischer Normalspur (1435 mm) ausgeführten
Neubaustrecken mit dem übrigen spanischen Schienen-
netz (Breitspur 1668 mm) nicht kompatibel sind.
Die Verkürzung der Reisezeit ist trotz der genannten
Unterschiede der wesentliche Vorteil aller Hochge-
schwindigkeitsstrecken. Die Zeitersparnis liegt je nach
Strecke meist zwischen 30 und 50 Prozent, zum Teil so-
gar bei bis zu 60 Prozent (Europäische Kommission
2005, UIC 2010). So verkürzt beispielsweise die 2010 er-
öffnete Strecke zwischen Spaniens Hauptstadt Madrid
und Valencia die Zugfahrt von 3:25 auf 1:35 Stunden.
Insbesondere in Ländern mit eher zentralistischer
Struktur wie Spanien oder Frankreich können solche
Strecken zwischen Wirtschaftszentren oder auch in peri-
phere Regionen einen wichtigen Impuls zur wirtschaft-
lichen Entwicklung geben (UIC 2011).
Weitere Effekte des HGV sind zum einen induzierte
Verkehre, also Personen, die diese Strecken aufgrund der
günstigen Verbindung häufiger oder überhaupt erst nut-
zen, und zum anderen Verkehrsverlagerungen vom
PKW oder dem Flugzeug (Cascetta et al 2010). Im Flug-
verkehr ist es auf einzelnen Strecken (z. B. Frank-
furt-Köln) sogar schon zur gänzlichen Substitution
durch den Schienenverkehr gekommen (Eurailpress
2007).
Das Ziel der EU eines transnationalen HGV-Netzes
gestaltet sich aber schon allein aufgrund technischer
Differenzen als ein langwieriges und teures Unterfangen.
So gibt es in Europa fünf verschiedene Bahnstromsys-
teme; Spurbreiten, Zugsicherungssysteme und Kommu-
nikationselektronik sind nur teilweise vereinheitlicht
und es existieren keine einheitlichen Standards für die
äußeren Abmessungen der Züge oder deren technische
Kennwerte (wie Kurvenradien, Gewichtsobergrenzen
für die Gleisbelastung etc.). Die Schaffung eines grenz-
überschreitenden, ganz Europa verbindenden Hochge-
schwindigkeitsnetzes bedeutet somit in erster Linie, die
verschiedenen Systeme zu vereinheitlichen und bis
dahin durch mehrsystemfähige Züge kompatibel zu
machen, wie dies auf den bestehenden internationalen
Verbindungen zum Beispiel des Eurostar oder des Tha-
lys schon heute der Fall ist (Schwarz 2002, Kurz 2009).
Eines der bedeutendsten Projekte im TEN-V der
Europäischen Union ist die „Vorrangige Achse Nr. 17“,
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