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Bau eines Netzes befestigter Straßen bereits im Altertum
die Basis hierfür geschaffen hatten. Ohne diese infra-
strukturelle Grundlage waren überregionale Verkehrs-
beziehungen an Land kaum zuverlässig zu unterhalten;
Topographie, Bodenbeschaffenheit, Wasserregime und
andere naturräumliche Eigenschaften konnten Handel
und Verkehr ganz erheblich erschweren (Borscheid
2004). Das Straßennetz der römischen Zeit, das etwa
Anfang des 2. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung ent-
stand, setzte hingegen einen neuen Standard. Es gab bis
ins späte Mittelalter bzw. die frühe Neuzeit hinweg die
Grundtopologie der Fernverkehrswege an Land vor -
eine bemerkenswerte Konstanz, bedenkt man die heu-
tige Entwicklungsdynamik des Transportwesens.
gelt, und es wurden Zölle und Nutzungsentgelte einge-
führt. Die Evolution der Handelswege stand in allen
Entwicklungsstufen immer in enger, wechselseitiger Ver-
bindung zur Entwicklung der Handelsstädte und Kno-
tenpunkte. Wachsender Fernhandel schuf den Idealtyp
der Handelsstadt (Weber 1921). Dies zeigt sich zum Bei-
spiel am Städtebund der Hanse. Fernhandel und Han-
sestädte gaben der Herausbildung von Fernverkehrsbe-
ziehungen im Mittelalter und der frühen Neuzeit weitere
Impulse. Daraus entstand ein engmaschiges Netz bedeu-
tender Handelsstädte wie Brügge, Antwerpen, Frank-
furt, Leipzig, Breslau, Augsburg, Nürnberg oder Venedig
(Abb. 7.22; Feldbauer & Lehners 2010). Sie dienten als
Vertriebszentrum regionaler Produktion wie auch als
Messe- und Umschlagplatz für Waren aller Art.
Das Zusammenspiel von Urbanisierung und Indus-
trialisierung spätestens vom 19. Jahrhundert an sowie
damit verbunden die Expansion der Wasserstraßen
(Kanäle) und vor allem der Eisenbahn haben dann die
Entwicklung des Verkehrs im Binnenland erheblich
beschleunigt (Reulecke 1987). Mit Blick auf Geographie
und Raumentwicklung ist bemerkenswert, dass der Aus-
bau der Eisenbahnen nicht nur zur Beschleunigung der
Transporte und damit zur erheblichen Reduktion von
Reise- und Transportzeiten führte, sondern als Resultat
eine massive Konzentration der Siedlungstätigkeit an
ihren Knotenpunkten hatte. Dies verlieh der Stadtent-
wicklung einen erneuten Wachstumsschub. Diese Kon-
zentrationswirkung wurde in den meisten europäischen
Ländern erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch die flä-
chenhafte Wirkung des Automobilverkehrs grundlegend
verändert.
Fernhandelswege von Frühzeit
und Mittelalter
Zu den klassischen europäischen Fernhandelswegen, die
vielfach auch militärischen oder religiösen Zwecken
dienten (Pilgerwege), gehören die Via Regia , die Via
Imperii (Abb. 7.21) oder die Bernsteinstraße. Als Via
Regia wird die älteste und längste Landverbindung zwi-
schen West- und Osteuropa bezeichnet, die von Santiago
de Compostela in Spanien über Bordeaux und Paris
bzw. Brügge und Antwerpen nach Frankfurt am Main,
von dort weiter nach Leipzig und über Krakau nach
Kiew führte. Die Via Imperii diente dagegen als wichtig-
ste Nord-Süd-Verbindung zwischen Venedig, Augsburg
bzw. Nürnberg, Leipzig, Berlin und Ostseehäfen wie
Stettin. Die Bernsteinstraße verbindet seit der Antike die
Ostsee mit dem Mittelmeer; auf dieser Strecke wurde
vor allem Bernstein transportiert bzw. gehandelt. Zu
nennen sind ferner die mittelalterliche Via Publica , die
von Brüssel über Frankfurt, Würzburg und Nürnberg
bis Prag führte. Von geringerer Bedeutung waren regio-
nale Handelsstraßen wie der Hellweg (Duisburg-Pader-
born, Nordrhein-Westfalen), der als mittelalterliche Ver-
bindung zwischen Rhein und Elbe diente, oder die
Salzstraße zwischen Lüneburg und Lübeck. Die Weih-
rauchstraße von Südarabien zum Mittelmeer und na-
türlich die Seidenstraße, die von China über Persien und
das Mittelmeer nach Europa führte, waren dagegen Bei-
spiele für die auch schon zu historischer Zeit sehr ausge-
prägten transkontinentalen Verflechtungen zwischen
Asien, dem Mittelmeerraum und Westeuropa.
Großräumige Korridore heute
Trotz des grundlegenden technologischen und sozio-
ökonomischen Wandels der letzten Jahrzehnte spielen
die Fernverkehrswege in der Geographie Europas auch
heute noch eine wichtige Rolle. Zum einen verbinden sie
die großen Verdichtungsräume und leisten einen wich-
tigen Beitrag zur Funktionsfähigkeit der als zunehmend
austauschorientiert wahrgenommenen globalisierten
Ökonomie. Zum anderen werden sie in der Infrastruk-
tur- und Raumordnungspolitik auch als Korridore ver-
standen, deren Nutzungsverdichtung als strategisches
Element der Raumentwicklung dient. Auch überneh-
men sie die Aufgabe der Bündelung der Trassen ver-
schiedener Verkehrsträger. Der Bedeutungszuwachs der
großen Korridore geht auch auf die Europäische Union
zurück. Parallel zur Entfaltung eines stetig expandieren-
den transnationalen Wirtschaftsraums entstand ein
Transitraum für den internationalen Güterstrom, des-
sen Durchlässigkeit mit zunehmend offenen Grenzen
weiter gesteigert wurde. Das Zusammenwachsen Euro-
Fernhandel und Stadtentwicklung
Spätestens im Mittelalter wurde der Fernhandel sehr dif-
ferenziert reguliert, es entstanden Handelsgesellschaf-
ten, Zünfte und Gilden. Auch die Straßenbenutzung
und -unterhaltung wurde durch königliches Recht gere-
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