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Wandel der Infrastrukturen
(schnelle digitale Datenübertragung) in ländlichen
Räumen angeboten.
Um diesen Problemen der Infrastruktureinrichtun-
gen in den ländlichen Räumen Europas zu begegnen,
werden neue Ansätze der Infrastrukturvorhaltung in
den ländlichen Räumen Europas erprobt. Hier ist Eigen-
initiative gefragt, denn es geht ganz wesentlich um bür-
gerschaftliches Engagement zur Einrichtung und Betrei-
bung der Infrastrukturvorrichtungen.
Um dem Mangel an ÖPNV in ländlich-peripheren
Regionen zu beheben, schließen sich in vielen Gemein-
den Europas Bürger zusammen, die Bürgerbusse betrei-
ben. Beispiel dafür ist das Dorfmobil „Klaus-Steyrling-
Kniewas“ in Österreich. Hier kann man anrufen, wenn
man auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen ist.
Ehrenamtliche fahren einen dann an den gewünschten
Ort. Ein grenzüberschreitender Bürgerbus fährt bereits
seit den 1980er-Jahren zwischen der niederländischen
Gemeinde Winterswijk und der deutschen Gemeinde
Vreden.
Auch im Bereich der Grundversorgung mit Lebens-
mitteln und Dienstleistungen ziehen sich wirtschaftliche
Unternehmen und Anbieter zunehmend zurück. Bür-
gervereine betreiben sogenannte „One-stop-shops“ oder
„Nachbarschaftsläden“ - eine neue, erweiterte Form der
klassischen „Tante-Emma-Läden“. Diese Geschäfte sind
Anlaufstelle für die lokale Bevölkerung. Sie haben meist
ein umfassendes Angebot: Lebensmittelhandel, Post-
und Bankfiliale, Verwaltungsstelle der Gemeinde, Treff-
punkt, Bürgerbuszentrale, Annahmestelle für Dienst-
leistungen (z. B. Reparaturen, Fotoservice), Tankstelle,
Verbraucherzentrale und Kartenverkauf für Bahn, Bus,
Kultur- und Sportveranstaltungen. Beispiele sind hier
Birte Nienaber und Olaf Kühne
Unter Infrastrukturen lassen sich (zumeist) öffentliche
Einrichtungen fassen, die eine Grundlage für das wirt-
schaftliche und gesellschaftliche Leben sind. Dazu zäh-
len vorwiegend Einrichtungen des Verkehrs (Straßen,
Kanäle), der Energieversorgung, der Wasserver- und
-entsorgung, aber auch der Bildung, der Gesundheits-
versorgung (Krankenhäuser) sowie der Informations-
übertragung.
Insbesondere für viele periphere ländliche Regionen
Europas wird es schwieriger, „angesichts weiterhin ab-
nehmender Bevölkerungszahlen bzw. abnehmender
Siedlungsdichten und einer anhaltenden altersstruktu-
rellen Verschiebung zugunsten der älteren Bevölke-
rungsgruppen auch zukünftig die infrastrukturelle Ver-
sorgung sicherzustellen“ (Winkler-Kühlken 2003). Die
Sicherstellung von Infrastrukturen in dünn besiedelten
Räume ist mit vergleichsweise hohen Kosten pro Nutzer
verbunden (Abb. 7.14): Während in dichter besiedel-
ten Räumen Infrastrukturkosten aufgrund zahlreicher
Nutzer geringer ausfallen, nehmen die nutzerbezoge-
nen Kosten in weniger dicht besiedelten Räumen zu.
Werden beispielsweise an einen 100 Meter langen Kanal
100 Wohneinheiten angeschlossen, sind die Kosten pro
Nutzer geringer, als dies bei nur drei Wohneinheiten
der Fall wäre. Bei abnehmenden Bevölkerungszahlen
nimmt der Kostendruck auf die verbleibenden Nutzer
also zu, da bestehende Infrastrukturen häufig für abneh-
mende Bevölkerungszahlen zu groß sind. Der steigende
Kostendruck kann dazu führen, dass manche Infra-
strukturanlagen geschlossen werden müssen oder dass
Anlagen zusammengelegt oder auch ganz neue Formen
der Versorgung ländlicher Bevölkerungen gefunden
werden müssen. Schließungen und Zusammenlegungen
sind insbesondere bei punkthaften Infrastrukturen
(Schulen, Krankenhäusern) weiter verbreitet, während
linienhafte Infrastrukturen (Kanäle, Straßen) auch bei
eklatanter Unternutzung aufrechterhalten werden. Denn
hier sind die Kosten für einen Neubau höher als die
Aufrechterhaltung der bestehenden Infrastrukturen. Bei
starkem Bevölkerungsrückgang, gleichzeitig steigenden
Infrastrukturkosten und einem hohen Wartungs- und
Unterhaltungsaufwand von Infrastrukturanlagen kann
es sinnvoll erscheinen, ganze Siedlungen aufzugeben
(Kocks 2007).
Zum Problem der Unterauslastung von Infrastruk-
tur in dünn besiedelten ländlichen Räumen kommt
eine weitere infrastrukturelle Benachteiligung: Hochge-
schwindigkeitsnetze (von der Eisenbahn bis hin zur
digitalen Datenübertragung) werden auf Ballungs-
gebiete ausgerichtet und werden nicht (Eisenbahn)
oder verspätet und auch dann selten flächendeckend
Infrastrukturkosten
je Nutzer
ländlich
suburban
(schwach
verdichtet)
suburban
(stark
verdichtet)
urban
metropolitan
Siedlungsstruktur
Abb. 7.14 Siedlungsdichten und Infrastrukturkosten pro Nut-
zer (verändert nach: Bundesamt für Bauwesen und Raumord-
nung 2006).
 
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