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nentes Europa ab. Zum anderen beeinflusst die EU als
wichtiger politischer Akteur der Regulierung und Steue-
rung von Migration in und nach Europa die geographi-
schen Muster der Migrationsbewegungen: Während auf
der einen Seite durch den Abbau von Grenzkontrollen
und Freizügigkeitseinschränkungen Wanderungen von
EU-Bürgern innerhalb des Gebiets der Europäischen
Union erleichtert werden, inzwischen auch aus den
mittel- und osteuropäischen Ländern, führen auf der
anderen Seite die territoriale Erweiterung der EU und
die Bemühungen um die Sicherung der EU-Außengren-
zen zur Entstehung neuer Migrationsrouten und Zu-
wanderungsländer.
Parallel zur Pluralisierung der Geographien der euro-
päischen Migration wurden auch die Wanderungsfor-
men, die sozio-ökonomischen und demographischen
Charakteristika sowie der rechtliche Status der Migran-
ten heterogener. Die fordistische Arbeitsmigration, wel-
che die Wanderungen in Europa in den ersten Nach-
kriegsjahrzehnten hauptsächlich geprägt hatte, wurde
nach dem Zuwanderungsstopp für „Gastarbeiter“ An-
fang der 1970er-Jahre von Familiennachzug, Rückwan-
derungen, (semi-)irregulärer Arbeitsmigration, der
Zuwanderung von Flüchtlingen und Asylsuchenden
sowie temporären Wanderungen und Pendelmobilität
abgelöst. Migrantennetzwerke und transnationale sozi-
ale Räume bildeten sich heraus, verfestigten und perpe-
tuierten die Migrationsbeziehungen zwischen verschie-
denen Ländern und machten damit Wanderungen in
verschiedene Richtungen wahrscheinlicher. Im Kontext
veränderter Wanderungsformen und -bedingungen ver-
wischen die Dichotomien zwischen temporärer und
dauerhafter Migration sowie zwischen Migration und
anderen Formen räumlicher Mobilität (King 2002).
Darüber hinaus fand eine „Feminisierung“ der Arbeits-
migration statt, die hauptsächlich in den südeuropäi-
schen Ländern sichtbar wurde.
Der Wandel der Migrationsformen wird auch in
Europa von strukturellen Faktoren beeinflusst (Oltmer
Abb. 6.27 Plakat an einem Restaurant in Almería, Spanien:
„Kellner gesucht. Keine Ausländer ohne Papiere. Informationen
in der Cafeteria“ (Foto: Martin Geiger).
gen in Europa. Sie trägt durch die spezifisch „südeuro-
päischen“ Charakteristika der Migration auch dazu bei,
dass der europäische Migrationsraum seit Ende des 20.
Jahrhunderts insgesamt vielseitiger und heterogener
wurde.
Pluralisierung des europäischen
Migrationsgeschehens
Die in den voranstehenden Abschnitten beschriebenen
Entwicklungen der Migrationsbewegungen in verschie-
denen Regionen Europas seit dem Zweiten Weltkrieg
zeigen viele Elemente einer Pluralisierung der Wande-
rungen in, aus und nach Europa und die europäischen
Staaten. Die relative Eindeutigkeit der „Karte“ europä-
ischer Migration in der Epoche der Gastarbeitermigra-
tion löste sich seit den 1980er-Jahren und insbesondere
seit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ allmählich auf
(King 2002). Die Zunahme und Diversifizierung der
Herkunfts- und Zielländer hatte neue Geographien der
Migration zur Folge, sowohl innerhalb Europas als auch
nach Europa. Die Herkunftsregionen der Migrationen
nach Europa bzw. in die Staaten der EU-27 Staaten sind
heute relativ gleichmäßig über die Kontinente verteilt
(Abb. 6.28).
Die veränderten Geographien der europäischen Mi-
gration sind eng mit der Erweiterung der Europäischen
Union, der Freizügigkeit und der Migrationspolitik ver-
bunden (Hillmann 2008). Zum einen decken die Staaten
der EU geographisch heute einen großen Teil des Konti-
2 %
Ozeanien
Nicht-EU-Europa
Afrika
Amerika
Asien
23 %
29 %
22 %
24 %
Abb. 6.28 Die Zuwanderung in die EU-27-Staaten nach Her-
kunftskontinenten, 2008 (verändert nach: Eurostat 2011).
 
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