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Abb. 6.21 Chinesisches Unternehmer-
tum in Skopje, Mazedonien
(Foto: Martin Geiger).
gliedsländern in die alten EU-Staaten von 1,4 Millionen
Ende 2003 auf über 4 Millionen im Jahr 2009 (Ette &
Sauer 2010b).
Einige der EU-15 Länder hatten die Möglichkeit von
Übergangsfristen für die Freizügigkeit von Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer aus den mittel- und osteu-
ropäischen Ländern wahrgenommen und erst später
ihre Grenzen für Arbeitsmigranten geöffnet. Wie bereits
1990 hatten sie massenhafte Einwanderungsströme und
durch die „billige“ osteuropäische Konkurrenz ausge-
löste Verdrängungsprozesse auf den einheimischen
Arbeitsmärkten befürchtet. Diese Ängste verdichteten
sich in Bildern wie denen vom „polnischen Fliesenleger“
oder vom plombier polonais . Für Arbeitskräfte aus den
acht Beitrittsländern von 2004 öffneten zuletzt Deutsch-
land und Österreich im Jahr 2011 ihre Arbeitsmärkte,
während die Übergangsfristen für Rumänien und Bul-
garien erst 2013 enden. Die nur schrittweise Einführung
der Freizügigkeit hatte deutliche Auswirkungen auf die
Richtung der Wanderungsbewegungen. Die Länder, die
direkt 2004 freien Zugang zu ihren Arbeitsmärkten
ermöglichten, wurden zu Hauptzielen der Migration aus
den mittel- und osteuropäischen Ländern nach 2004: in
erster Linie Großbritannien und Irland, ebenso Nor-
wegen (als Nicht-EU-Land) und in geringerem Maße
auch Schweden (Okólski 2007).
Mit dem EU-Beitritt stieg vor allem die Migration
aus Polen merklich an. Schätzungen gehen von über
1 Million Personen aus, die allein von 2004 bis 2007 das
Land verließen, der größte Teil (ca. 30 Prozent) von
ihnen in Richtung Großbritannien (Kaczmarczyk 2010;
Abb. 6.22). Deutschland wurde damit zumindest vor-
übergehend als Hauptzielland polnischer Migranten
abgelöst. In die anglophonen Länder Großbritannien
und Irland wanderten vergleichsweise viele junge und
gut ausgebildete Polen, was Befürchtungen eines brain
drain, speziell unter Ärzten und medizinischen Fach-
kräften, schürte.
Infolge der EU-Erweiterung nahmen aber auch Wan-
derungsbewegungen aus Ländern zu, die im europä-
ischen Migrationsgeschehen bisher kaum in Erschei-
nung getreten waren, wie die baltischen Staaten Estland,
Lettland und Litauen (Okólski 2007). Die politische
Erweiterung der Europäischen Union führte damit auch
zu einer geographischen Erweiterung der europäischen
Wanderungen. Hier besteht jedoch kein kausaler Zu-
sammenhang in dem Sinne, dass sich politische Erleich-
terungen oder Barrieren für Migration und Mobilität
quasi-deterministisch auf das empirische Wanderungs-
geschehen auswirken. Interessanterweise hatte die
Osterweiterung der EU kaum Einfluss auf die Migration
aus Rumänien, dem zahlenmäßig immerhin größten
Herkunftsland von Migranten in Europa (Eurostat
2011): Obwohl einige Länder ihren Arbeitsmarkt schon
direkt im Jahr 2007 für Rumänien geöffnet hatten, setz-
ten sich die Wanderungsbewegungen weiterhin unver-
mindert in die Länder fort, die bereits zuvor die Haupt-
zielländer darstellten, also nach Spanien und Italien. Am
Beispiel der Bewegungen zwischen Rumänien und Spa-
nien lässt sich gut der Einfluss von Migrationsnetzwer-
ken illustrieren - und zugleich die mitunter nur
begrenzte Wirkungskraft migrationspolitischer Maß-
nahmen (Elrick 2008). Seit dem Ende der 1990er-Jahre
hatte sich in Spanien mit dem stetigen Anwachsen
rumänischer Migranten ein enges Migrationsnetzwerk
herausgebildet, das durch Regularisierungen „illegaler“
Migranten und durch die 2002 erfolgte Aufhebung der
für rumänische Staatsbürger bestehenden Visumspflicht
für den Schengen-Raum weiter gefestigt wurde. Immer
mehr rumänische Migranten hatten nun einen festen
Aufenthaltsstatus, die Einreisebarrieren fielen weg und
die transnationalen Verbindungen zwischen Herkunfts-
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