Geography Reference
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12 000 000
10 000 000
Mittelost- und Osteuropa
Nordeuropa
Südeuropa
Westeuropa
Europa gesamt
8 000 000
6 000 000
4 000 000
2 000 000
0
-2 000 000
-4 000 000
Abb. 6.14 Wanderungssaldo in
Europa und europäischen Regionen,
1950-2000, absolute Zahlen
(Daten: Bonifazi 2008).
-6 000 000
1950-60
1960-70
1970-80
1980-90
1990-2000
Wanderungen infolge der
Dekolonisation
ökonomischer, sozialer und demographischer Faktoren.
Doch nicht nur die Richtungen und Formen der inter-
nationalen Migration haben sich im Lauf der Jahrzehnte
verändert, auch Europa selbst wandelte sich im Zuge der
Europäischen Integration und der Konstruktion eines
gemeinsamen EU-Binnenraumes. Die zunehmende Be-
stimmung und Regulation „Europas“ durch die Europä-
ische Union führt dazu, dass auch die Grenzen des
Migrationsraums Europa immer deutlicher durch die
politischen Grenzen der EU markiert werden. Was auf
welche Weise als Migration in, aus und nach Europa
wahrgenommen, dokumentiert und verschiedenen
Steuerungsversuchen unterworfen wird, wird wesentlich
durch Grenzziehungen festgelegt, die zwischen „innen“
und „außen“ unterscheiden. Die Konstruktion der EU-
Außengrenzen produziert eine historisch neue Trennli-
nie zwischen europäischer „Binnenmigration“ und der
internationalen Migration von „Drittstaats-Angehöri-
gen“ nach Europa.
Die hier einleitend zusammengefassten Merkmale
und Veränderungen der Migration in, aus und nach
Europa werden nachfolgend in einer Verbindung von
entwicklungsgeschichtlicher und migrationsgeographi-
scher Perspektive genauer dargestellt und nachgezeich-
net. Getragen werden die Ausführungen von der
Annahme der konstitutiven Bedeutung von Migration -
für den demographischen und den gesellschaftlichen
Wandel Europas.
Eine wichtige Wanderungsdynamik, welche die Migra-
tionsverhältnisse in Europa in den Jahrzehnten nach
dem Zweiten Weltkrieg prägte und bis heute prägt, hat
ihren Ursprung in der Auflösung der europäischen
Kolonien in Asien und Afrika. Die Dekolonisation initi-
ierte und rahmte mehrere, ineinander übergehende
Migrationsbewegungen in die ehemaligen europäischen
Kolonialmächte.
Ab den 1940er-Jahren kehrten europäische Siedler,
Kolonialbeamte und Soldaten in die kolonialen „Mut-
terländer“ zurück. Mit und nach ihnen folgten „nicht-
europäische“ Angehörige kolonialer Hilfstruppen und
anderer Gruppen, die für die Kolonialmächte gearbeitet
hatten. Die größten Rückwanderungsbewegungen fan-
den in den 1950er- und 1960er-Jahren statt und führ-
ten beispielsweise aus Indien, Kenia und Malaysia nach
Großbritannien, aus Nordafrika nach Frankreich und
Italien, aus Indonesien in die Niederlande und aus dem
Kongo nach Belgien (Fassmann & Münz 1996). Mitte
der 1970er-Jahre erreichte die postkoloniale Rückwan-
derungswelle auch Portugal. Schätzungen gehen von
5,5 bis 8,5 Millionen Menschen aus, die im Zuge der
kolonialen Rückwanderungen in Europa eintrafen. Mehr
als 1 Million Menschen umfasste allein die Gruppe von
Algerien-Franzosen ( pieds noirs ), algerischen Kollabo-
rateuren ( harkis ) und algerischen Juden, die nach
Frankreich wanderten (Bade 2000).
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