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Exkurs 5.15
Die Faszination bis an die eigene Grenze zu gehen
In ihrer Freizeit verspüren mehr und mehr Menschen ein
Verlangen, an die Grenze ihrer eigenen Leistungsfähigkeit
zu gehen (Abb. 1). Aber weshalb setzt man sich ohne Zwang
den oft damit verbundenen Strapazen und Gefahren aus?
Warum wird ein Marathon zum Breitensport mit Volksfest-
charakter und lockt Jahr für Jahr mehrere Zehntausend Teil-
nehmer nach London, Berlin oder Paris? Was treibt die Ein-
heimischen und die touristischen Besucher, wenn sie
anlässlich der Festlichkeiten zu Ehren des San Fermín vor
oder neben den Stieren durch die engen Gassen der Alt-
stadt von Pamplona laufen? Bei diesen und ähnlichen Anläs-
sen kommt es regelmäßig zu mehr oder weniger schweren
Verletzungen und vereinzelt sogar zu Todesfällen. Wie lässt
sich dieses Verhalten erklären? Erscheint es nicht paradox,
dass Menschen diese Risiken bewusst in Kauf nehmen, ob-
gleich weite Teile des Alltagslebens von einem beinahe
selbstverständlichen Kontroll- und Sicherheitsdenken ge-
prägt sind, das sich vom Thema der Altersvorsorge über
grundsätzliche Empfehlungen der medizinischen Prävention
bis hin zu Kameraüberwachung und anderen Maßnahmen
im Kampf gegen Gewalt, Verbrechen und Terrorismus er-
streckt?
Dennoch oder vielleicht auch gerade deshalb besitzen
extreme Erfahrungen und Erlebnisse für viele Menschen
einen ganz besonderen Reiz. Möglicherweise ist unsere
Umwelt mittlerweile in so starkem Maß reglementiert und
abgesichert, dass wir nach Unsicherheit und Gefahr verlan-
gen. Oder wir sehen uns im Alltag einer so großen Reiz-
überflutung ausgesetzt, dass wir emotional abstumpfen
und es besonderer Umstände bedarf, um uns für etwas zu
begeistern oder mitzureißen. Dies könnte erklären, weshalb
Menschen in ihrer Freizeit für den Adrenalin-Kick beim Bun-
gee-Jumping bezahlen oder den Nervenkitzel beim Kite-Sur-
fen, Wildwasser-Rafting oder Canyoning suchen. Das Glei-
che gilt für andere Formen des Extremsports sowie
Abenteuer- und Expeditionsreisen, die sich einer zuneh-
menden Beliebtheit erfreuen.
b
a
Abb. 1 a) Stiertreiben in Pamplona anlässlich der Festlichkeiten von San Fermín (Foto: Bill 2004, Wikimedia Commons).
b) Marathon der Inline-Skater in Berlin (Foto: Franke 2009, Wikimedia Commons).
lung von den Besuchern genutzt werden können. Ergän-
zend zu den Erlebnis- und Unterhaltungsangeboten ver-
fügen bedeutendere Parks über angegliederte Betriebe
der Gastronomie und Hotellerie. Die Inszenierung
künstlicher Welten spielt dabei gewöhnlich eine beson-
dere Rolle. Im Fall von Themenparks geht es darum,
einen spezifischen räumlichen, historischen oder ande-
ren Themenbereich erlebnisorientiert ab- bzw. nachzu-
bilden, damit dieser von den Besuchern rezipiert werden
kann. Die wichtigste Zielgruppe besteht in der Regel aus
Familien mit Kindern, die im Rahmen von Pauschalan-
geboten einen weitgehend unbeschwerten Aufenthalt in
einer sicheren und zugleich unterhaltsamen Umgebung
verbringen sollen.
Gemessen an den Besucherzahlen bildet der Groß-
raum Paris den bedeutendsten Standort für Freizeit-
und Themenparks in Europa. Der dort befindliche Dis-
neyland Park wurde nach einem US-amerikanischen
Vorbild konzipiert und zählte im Jahr 2009 mit mehr als
12 Millionen Besuchern etwa doppelt so viele zahlende
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