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zum Ausdruck bringt, ist damit ein Wiederherstellen
oder Wiedererschaffen des Selbst gemeint - sei es, um
sich selbst zu verwirklichen oder einfach nur um vor-
übergehend Abstand von einer beruflichen Tätigkeit zu
nehmen und anschließend wieder ausgeruht an den
Arbeitsplatz zurückzukehren.
Im Europa des beginnenden 21. Jahrhunderts dient
Freizeit nur bedingt einer Erholung durch Ruhe und
Muße. Es geht eher um Freiheit und Vergnügen und oft
auch einfach darum, die vorhandene Freizeit auszufül-
len. Dabei orientiert sich die Gestaltung der freien Zeit
in hohem Maß an konsumorientierten Praktiken. Kul-
tur, Unterhaltung und Sport sind ebenso wie der ge-
wöhnliche Einkaufsbummel potenziell mit Ausgaben
verbunden. Dies gilt in ähnlicher Weise für Reise- und
Urlaubsaktivitäten. Eine zunehmende Vermarktung von
freizeit- und tourismusbezogenen Produkten und
Dienstleistungen kann dazu beitragen, dass sich die zu
beobachtende Konsumorientierung künftig noch weiter
verstärkt. So verwundert es kaum, dass innerhalb der
eigenen vier Wände das Fernsehen gefolgt von Radiohö-
ren und Telefonieren zu den zeitintensivsten Freizeitak-
tivitäten zählt. Bei der männlichen Bevölkerung ist die
Nutzung von Computer und Internet ebenso wie die
handwerkliche oder sportliche Betätigung besonders
beliebt. Statistischen Angaben zufolge verfügt die weib-
liche Bevölkerung durchschnittlich über weniger freie
Zeit und setzt bei deren Gestaltung auch eigene Akzente.
Neben dem Geschlecht gelten etwa Alter, Bildungsstand,
soziale Herkunft und ökonomische Verhältnisse als
Variablen von maßgeblichem Einfluss auf die Freizeitak-
tivitäten (Opaschowski 2008).
europäischen Gesellschaft möglich, freizeit- und erho-
lungsorientierte Reisen zu unternehmen. Dabei spielte
die Einführung einer modernen Sozialgesetzgebung mit
arbeitsrechtlichen Bestimmungen für bezahlten Jahres-
urlaub eine wichtige Rolle. Weiterhin haben technologi-
sche Innovationen im Bereich des Schienen-, Straßen-
und Luftverkehrs zu einem Aufschwung des Tourismus
beigetragen. So konnte sich im Verlauf des 20. Jahrhun-
derts ein buchstäblicher Massentourismus entfalten
(Becker 2000, Hopfinger 2006).
Die zunehmende Verbreitung von Urlaubsreisen, die
nicht nur der Oberschicht vorbehalten blieben, sondern
von immer weiteren Kreisen der Gesellschaft unternom-
men wurden, hat auch zu einer Veränderung der touris-
tischen Praktiken geführt. Neben der klassischen Kultur-
und Bildungsreise etablierten sich bereits seit der Wende
zum 18. Jahrhundert Kuraufenthalte am Meer und in
den Bergen. Im Zuge des 20. Jahrhunderts entwickelten
sich Freizeit und Erholung zu bedeutenden Aspekten
des Reisens. So gewann auch der sommerliche Badeur-
laub mehr und mehr an Bedeutung. Zusehends erfolgte
eine immer feinere Ausdifferenzierung unterschied-
licher Formen des Reisens, zu denen zum Beispiel Sport
und Abenteuer sowie Familie und Erholung zählten.
Weiterhin wurden die Reiseaktivitäten neben der
Hauptreisezeit im Sommer auch während anderer Jah-
reszeiten durchgeführt. Zu den aktuelleren Trends der
Tourismusbranche zählt eine verstärkte Erlebnisorien-
tierung der Urlaubsreisenden.
Der Aufschwung des Massentourismus war mit
einem sukzessiven Ausbau der vorhandenen Beherber-
gungskapazitäten verbunden. Es sind zahlreiche neue
Reisedestinationen entstanden, die sich im Wettbewerb
um die Besucher einem zunehmenden Konkurrenz-
druck ausgesetzt sehen. Während einzelne Destinatio-
nen inzwischen kaum mehr in der Lage sind, ein weiter-
hin ansteigendes Gästeaufkommen zu bewältigen, wird
der Tourismus zum Beispiel im ländlichen Raum nicht
selten als eine geeignete Perspektive für wirtschaftliche
Entwicklung und die Schaffung neuer Beschäftigungs-
möglichkeiten erachtet.
Reisen als Freizeitbeschäftigung
Zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten zählt auch das
Reisen. Bereits im 17. Jahrhundert unternahmen junge
Adlige im Rahmen der sogenannten Grand Tour ausge-
dehnte Kultur- und Bildungsreisen in Europa. Dies
diente den Reisenden zur Vorbereitung, um nach Been-
digung der Reise höhere gesellschaftliche Positionen
einzunehmen und eventuell eine eigene Familie zu
gründen. Anhand zeitgenössischer Reisenotizen lassen
sich die damaligen Reiserouten rekonstruieren (Towner
1996). Demnach waren zum Beispiel Paris, Rom und
Venedig besonders bedeutende Reiseziele (Abb. 5.32).
Während des 18. und 19. Jahrhunderts beteiligten sich
zunehmend auch Dichter und Maler an der Grand Tour
(Freytag & Popp 2009). Sie entwickelten Interesse an
einem ästhetisierenden Blick auf Landschaft und Natur,
der es ihnen erlaubte, die Eindrücke und Reiseerlebnisse
in romantisch-künstlerischer Form zu verarbeiten.
Im Zuge der Herausbildung einer modernen Gesell-
schaft wurde es sukzessive auch für weitere Kreise der
Freizeit und Tourismus als Leitökonomie
Die wachsende wirtschaftliche Bedeutung von Freizeit
und Tourismus steht in engem Zusammenhang mit
einem sektoralen Strukturwandel. Als Bestandteil des
tertiären Wirtschaftssektors verzeichnet die Freizeit-
und Tourismusbranche in Europa seit mehreren Jahr-
zehnten ein beachtliches Wachstum. Nicht nur in den
klassischen Urlaubs- und Erholungsgebieten, sondern
zunehmend auch in Städten und Metropolen zählt die
Freizeit- und Tourismusökonomie mittlerweile zu den
wichtigsten Wirtschaftsbereichen. Gemeinsam mit an-
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