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saiks der europäischen Wirtschaftsregionen. Grundsätz-
lich werden sie durch ihre Einbindung in überregionale
Netzwerke im globalen Wettbewerb der Standorte eher
gestärkt als zusätzlich herausgefordert. Voraussetzung
ist allerdings, dass das zwischen den Metropolräumen
zirkulierende allgemeine Wissen von Wirtschaftsakteu-
ren an konkreten Standorten kontextualisiert und über
innovative Rekombinationsleistungen für (neue) Märk-
te in Wert gesetzt wird. Wissensintensive Unterneh-
mensdienstleister sind genau darauf spezialisiert. Bei
Weitem aber nicht jede der europäischen Großstadtre-
gionen hat sich in einer Welt der Informations- und
Wissensflüsse zu einem wirtschaftlichen Wachstumspol
entwickelt.
Die beiden parallel zu beobachtenden Prozesse der
räumlichen Konzentration spezialisierter wirtschaft-
licher Aktivitäten und der räumlich konzentrierten
Diversifikation von Aktivitäten - inklusive ihrer Vernet-
zungen in einer globalisierten Wirtschaftswelt - sind Teil
eines Phänomens, das als Glokalisierung bezeichnet wird.
Trotz eines Bedeutungsverlusts traditioneller Standort-
faktoren, wie zum Beispiel der Transportkosten, hervor-
gerufen durch Innovationen im Bereich der Kommuni-
kations- und Transporttechnologie, die Raum und Zeit
zusammenschrumpfen lassen, konzentrieren sich wirt-
schaftliche Aktivitäten auch weiterhin - und branchen-
spezifisch sogar zunehmend verstärkt - auf wenige
Standorte. Einerseits entstehen dadurch raumwirt-
schaftliche Disparitäten, die sich sozial in ungleichen
Lebensbedingungen der Bevölkerung niederschlagen.
Andererseits entstehen durch den wirtschaftlichen Be-
deutungsüberschuss einzelner Regionen auch neue öko-
nomische Verflechtungsbeziehungen, welche wiederum
die Chancen peripherer Regionen und der dort leben-
den Bevölkerung erhöhen, an den Entwicklungen in
einer globalisierten Welt zu partizipieren.
nur bedingt, die Dynamiken des europäischen Mosaiks
der Wirtschaftsregionen zu beschreiben. Die Gegen-
überstellungen sind zwar in der Lage, wirtschaftliche
Disparitäten zu identifizieren und im Zeitverlauf ihre
durch Strukturpolitik induzierte Konvergenz zu über-
prüfen - oder auch eine weitere Verschärfung der Dis-
paritäten festzustellen (Schätzl 1993). Insbesondere
aber bei der Erklärung der Veränderungen stoßen die
einfachen Gegenüberstellungen an ihre Grenzen. Das
Erklärungsdefizit wird zum Beispiel darin sichtbar, dass
zahlreiche traditionelle Wirtschaftsregionen ihre indus-
triellen Strukturen durch Deindustrialisierungsprozesse
zwar eingebüßt haben, aber nicht jede Altindustrie-
region gleichzeitig auch ihre wirtschaftliche Bedeutung
verloren hat. Wie ist diese Heterogenität der regionalen
Entwicklungspfade zu erklären und zu bewerten? Auch
die einfache Gegenüberstellung von Wachstumsregio-
nen und Schrumpfungsregionen greift zu kurz. Die
Entwicklungen in den Regionen - das hat die Finanz-
und Wirtschaftskrise der Jahre 2007 bis 2010 klar ge-
zeigt - hängen einerseits vom konjunkturellen Verlauf
der Märkte, auf denen regional ansässige Unterneh-
men tätig sind, ab. Zwar verzeichnen Regionen wie
München, in denen sich mehrere Wachstumsbranchen
konzentrieren, gegenüber Regionen mit einem Schwer-
punkt in traditionellen Branchen eine deutlich positi-
vere Entwicklung. Konjunkturkrisen von internationa-
lem Ausmaß bremsen jedoch auch in Boomregionen
Wachstum aus, wenn Absatzmärkte einbrechen. Die
Entwicklungen in einer jeden Region hängen anderer-
seits aber auch mit den dort regelnd wirkenden in-
stitutionellen Bedingungen und Mechanismen zu-
sammen. Beziehungen zwischen Gewerkschaften und
Arbeitgeberverbänden, funktionierende Institutionen,
die opportunistisches Verhalten auf den Märkten sank-
tionieren, oder Interessengemeinschaften zwischen Un-
ternehmen und Ausbildungsstätten beeinflussen die
Reaktions- und Anpassungsfähigkeit der regionalen
Wirtschaft in konjunkturellen Krisen. Regionale Insti-
tutionen beeinflussen darüber hinaus auch die Lernfä-
higkeit der Regionen und den Verlauf des Strukturwan-
dels in räumlich konzentrierten Branchen. Unförmig
aufeinander abgestimmte Institutionen können zu „in-
stitutioneller Sklerose“ führen und einen erfolgreichen
Strukturwandel hinauszögern oder sogar verhindern.
Nachfolgend werden fünf einfache Gegenüberstel-
lungen von Regionstypen aufgegriffen, um fallspezifisch
und in Branchenperspektive Merkmalsinterdependen-
zen eines dynamischen Bilds der europäischen Wirt-
schaftsregionen zu identifizieren und nachzuzeichnen.
Denn ohne eine Branchenperspektive des analytischen
Zugangs lassen sich Veränderungen von Produktions-
strukturen und verflochtenen Wirtschaftsaktivitäten in
den europäischen Regionen nicht erklären.
Wirtschaftsgeographie
des postfordistischen und
postindustriellen Europas
Die Charakterisierung der verflochtenen regionalen
Wirtschaftsstrukturen in Europa ist eine herausfor-
derungsvolle Angelegenheit. Wirtschaftsgeographische
Forschungsperspektiven, welche die örtliche Kontextu-
alität ökonomischer Phänomene untersuchen und die
Gründe für räumliche Ungleichheit sowie die Wirkun-
gen der Ungleichheit erklären (Barnes 1989), werden zu
wichtigen Verbündeten. Wie sich zeigt, gelingt es mit
einfachen Abgrenzungen und Gegenüberstellungen von
Regionstypen - wie etwa der Unterscheidung von Alt-
industrieregionen und jungen Wirtschaftsregionen oder
von Schrumpfungsregionen und Wachstumsregionen -
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