Geography Reference
In-Depth Information
Verarmung von Landschaften in ästhetischer und
erlebnisorientierter Sicht, da nivellierte „Standard-
landschaften“ geringe Erlebnisgehalte bieten, womit
sie auch touristisch unattraktiv werden
Das wichtigste Dokument zur Entwicklung einer
europäischen Kulturlandschaftspolitik ist die „European
Landscape Convention“ (ELC) des Europarates von
2000. Das englische landscape lässt sich dabei am besten
mit „Kulturlandschaft“ ins Deutsche übersetzen, denn
„landscape means an area, as perceived by people, whose
character is the result of the action and interaction of
natural and/or human factors“ (Europarat 2000). (Kul-
tur-)Landschaft sollte demnach auch nicht allein den
Experten überlassen werden. Zudem wird in diesem
Passus verdeutlicht, dass (Kultur-)Landschaft über die
materielle Substanz hinausgehend als Auftrag an die
Bürgergesellschaft zu verstehen ist. Folglich muss dis-
kutiert werden, was dieser an Kulturlandschaften wich-
tig ist und wohin sie sich entwickeln sollten (Jones &
Stenseke 2011).
Da einige Staaten - darunter die Bundesrepublik
Deutschland - diese Konvention noch nicht ratifiziert
haben, und zudem der Europarat keinerlei exekutive
Macht hat, entscheidet letztlich die Ausrichtung der Ge-
meinsamen Agrarpolitik (GAP) über die Entwicklung
der Agrarlandschaften, denn Land- und Forstwirtschaft
nutzen in der EU der 27 zusammen 78 Prozent der Ge-
samtfläche der EU (2007). Das sind allein 172,5 Millio-
nen Hektar an agrarischer Nutzfläche, wovon 60,5 Pro-
zent für Ackerfrüchte, 33 Prozent für Dauerweiden und
6,4 Prozent für Dauerkulturen verwendet werden (auch
folgende Datenangaben nach European Union 2009).
Die strukturellen Disparitäten der agrarischen Produk-
tion und damit die Interessenlagen der einzelnen Staaten
sind dabei innerhalb der EU sehr groß. So sind zwar im
EU-Durchschnitt immerhin noch etwa 6 Prozent der
Erwerbstätigen im primären Sektor tätig, die Spannweite
reicht jedoch von 1 Prozent im Vereinigten Königreich
bis 30 Prozent in Rumänien. Es geht dabei um 13,7 Milli-
onen landwirtschaftliche Betriebe mit einer Durch-
schnittsgröße von 12,6 Hektar - bei einem Durchschnitt
von 1 Hektar in Malta und 89 Hektar in der Tschechi-
schen Republik. Die GAP ist zudem seit den sogenannten
Luxemburger Beschlüssen zur Reform der Agrarpolitik
noch enger als zuvor mit der zweiten Säule verbunden,
der Strukturpolitik der EU, welche im Wesentlichen eine
Politik für ländliche Räume ist, die in der EU der 27
(2006) je nach Definition bis zu 90 Prozent der Fläche
und 56 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Seither
ist als zentrales Gestaltungs- und Steuerungsinstrument
eine Entkopplung der Zuschusszahlungen an die Land-
wirte vom erzeugten Produkt erkennbar. Das bedeutet
eine grundsätzliche Abkehr der GAP von der Politik der
Preisstützung seit Gründung der EWG 1957 bis Ende
1992, der Produktprämien von 1993 bis Ende 2004 und
der flächenbezogenen Einkommenshilfen und der Be-
triebsprämien von 2005 bis Ende 2013 bei zunehmender
Betonung ökologischer Standards (im Überblick Wein-
garten 2010). Das wird in der Entwicklung der EU-
Verluste des Quellenwertes von Landschaftselemen-
ten und -strukturen für die Biodiversitäts-, Umwelt-
und Klimaforschung sowie in den räumlichen Umge-
bungen von Kultur- und Naturdenkmälern und
deren landschaftlichen Beziehungen
Verschwinden von Identifikationsmöglichkeiten im
Sinne der Verankerung regionaler Identität und his-
torischen Bewusstseins an gewachsenen räumlichen
Strukturen und Elementen, was nicht nur für ländli-
che, sondern selbstverständlich auch für städtische
Räume gilt
Die Politik reagiert darauf in Form von Gesetzen, Ver-
ordnungen und Leitbildern auf nationaler und europä-
ischer Ebene (dazu im Überblick Schenk 2011).
So heißt es im § 2 (1) Nr. 14 des aktuellen Bundesna-
turschutzgesetzes: „Historische Kulturlandschaften und
-landschaftsteile von besonderer Eigenart, einschließlich
solcher von besonderer Bedeutung für die Eigenart oder
Schönheit geschützter oder schützenswerter Kultur-,
Bau- und Bodendenkmäler, sind zu erhalten.“ Und im
novellierten Raumordnungsgesetz der Bundesrepublik
Deutschland von 2008 wird in § 2 (5) zusätzlich der
Gedanke der Entwicklung von Kulturlandschaften ge-
rade mit Blick auf die agrarisch geprägten Räume her-
vorgehoben: „Historisch geprägte und gewachsene Kul-
turlandschaften sind in ihren prägenden Merkmalen
und mit ihren Kultur- und Naturdenkmälern zu er-
halten. Die unterschiedlichen Landschaftstypen und
Nutzungen der Teilräume sind mit den Zielen eines har-
monischen Nebeneinanders, der Überwindung von
Strukturproblemen und zur Schaffung neuer wirt-
schaftlicher und kultureller Konzeptionen zu gestalten
und weiterzuentwickeln. Es sind die räumlichen Voraus-
setzungen dafür zu schaffen, dass die Land- und Forst-
wirtschaft ihren Beitrag dazu leisten kann, die natür-
lichen Lebensgrundlagen in ländlichen Räumen zu
schützen sowie Natur und Landschaft zu pflegen und zu
gestalten.“
Diese Ziele stehen im europäischen Kontext (Schenk
& Weizenegger 2006). So wird schon in den „Grundla-
gen einer europäischen Raumordungspolitik“ von 1995
die Erhaltung gerade des landschaftlichen Erbes als ein
wesentlicher Aktionsbereich für die Strategie nachhal-
tiger Entwicklung angesehen und im Europäischen
Raumentwicklungskonzept (EUREK) von 1999 wird die
Rolle von „gewachsenen Kulturlandschaften“ auf deren
Entwicklung zugespitzt. Dort heißt es im Passus 134:
„Die Natur und das Kulturerbe sind ein wirtschaftlicher
Faktor, der für die Regionalenwicklung zunehmend
wichtiger wird.“
Search WWH ::




Custom Search