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Von Agrarzonen zum
räumlichen „Patchwork“:
die Agrarregionen Europas
in einem weltweiten Markt
(Italien vs. Deutschland) oder den postkommunisti-
schen Staaten (dazu der vorangehende Beitrag im
Detail). Der Trend allerdings ist in allen Staaten gleich -
die Betriebe werden größer, der wirtschaftliche Konzen-
trationsprozess wird sehr deutlich. Dies wird zumindest
mittelfristig auch Auswirkungen auf die Beschäftigten-
anteile der Agrarwirtschaft in den verschiedenen Volks-
wirtschaften haben.
Das Kartenbild führt zu der oft thematisierten Frage,
ob Europäisierung denn nicht auf Dauer zu einer
Angleichung oder gar Uniformität führt. Diese Frage ist
nicht eindeutig zu beantworten, selbst nicht für die
Agrarpolitik, die auf eine vergleichsweise sehr lange Ge-
schichte zurückblickt. Bereits die kartierten, recht ein-
fachen Indikatoren liefern für beides Argumente: Die
EU-Mitgliedsstaaten unterliegen einerseits zunehmend
ähnlichen Rahmenbedingungen und dies resultiert
durchaus in ähnlichen Trends. Dies führt in der Summe
aber nicht zwingend zu Konvergenz - zu unterschiedlich
sind die regionalen und nationalen Ausgangsbedingun-
gen, Kontexte und Pfadabhängigkeiten (Greer 2005).
Interessant wird es mittelfristig vor allem sein, die
Europäisierungskonsequenzen aus anderen Politikbe-
reichen auf die Agrarpolitik zu verfolgen: Welche Kon-
sequenzen die europäische Umweltpolitik (z. B. Wasser-
rahmenrichtlinie) oder Energiepolitik (z. B. „Bioben-
zin“) auf die Agrarwirtschaft haben, ist noch nicht abzu-
sehen.
Am Beispiel der Agrarpolitik lässt sich somit zeigen,
dass Europäisierung nicht als eindeutiger Trend zu ver-
stehen ist, sondern vielmehr als komplexer Prozess mit
janusköpfigen Zügen. Auch wenn Bürokratisierung und
Standardisierung eine nicht geringe Rolle in europäi-
sierten Politikbereichen wie der Agrarpolitik spielen, so
ist Europäisierung insgesamt mehr als Homogenisie-
rung. Europäisierte Politikbereiche sind geprägt von
Paradigmen und dem Zeitgeist verschiedener Ebenen
und zugleich von historischen Pfaden und nationalen
Besonderheiten. Europäisierung kann Liberalisierung,
Protektionismus und Bürokratisierung bedeuten -
manchmal sogar gleichzeitig. Die Tatsache, dass auf
europäischer Ebene Regulationen geschaffen und mit
zum Teil starken Instrumenten versehen werden, ver-
hindert nicht Zielkonflikte und Widersprüchlichkeiten,
im Gegenteil: Die Komplexität des Europäischen Eini-
gungsprozess spiegelt sich in den einzelnen Politikberei-
chen wider.
Landschaftsgürtel und Anbauzonen
in Europa
Andreas Voth
In Anlehnung an die Abfolge an Klima- und Vegeta-
tionszonen lässt sich in Europa über 35 Breitengrade
hinweg eine Grobgliederung der Landschaftsgürtel und
Anbauzonen vornehmen. Die Möglichkeiten einer
ackerbaulichen Nutzung reichen in Europa dank des
Golfstroms deutlich weiter nach Norden als dies in
anderen Gebieten gleicher Breitenlage der Fall ist. Die
mildernde Wirkung des Golfstroms wird mit den West-
winden in den Kontinent hineingetragen und sorgt für
relativ ausgeglichene klimatische Bedingungen. Die
enge Verzahnung von Land und Meer und die größten-
teils kleinräumige Gliederung durch ein bewegtes Relief
ergeben eine große Vielfalt an Klima- und Bodenbedin-
gungen, die für die landwirtschaftliche Nutzung im
Wandel der Zeit unterschiedlich bewertet und über viele
Jahrhunderte entsprechend genutzt worden sind. Wäh-
rend die vornehmlich in west-östlicher Richtung strei-
chenden Gebirge die agrarökologischen Kontraste zwi-
schen dem gemäßigten West- und Mitteleuropa und
dem mediterranen Südeuropa weiter verstärken, erhöht
die nach Osten zunehmende Breite der Landmasse den
Grad an Kontinentalität. In Skandinavien reicht Europa
über die thermisch bedingte Grenze des Ackerbaus hin-
aus, während im Mittelmeerraum die Knappheit und
Unregelmäßigkeit an Niederschlägen begrenzende Fak-
toren darstellen. Zwischen der Einschränkung des
Ackerbaus durch eine kurze Vegetationsperiode im Nor-
den und knappes Wasserangebot im Süden besteht aller-
dings ein breites Nutzungspotenzial. Im globalen Ver-
gleich bietet die Lage Europas in den mittleren Breiten
besonders günstige natürliche Potenziale bei geringen
Risikofaktoren (Achenbach 1994). Die Landschaftsgür-
tel Europas - von den borealen Nadelwäldern der kalt-
gemäßigten Zone über die sommergrünen Laub- und
Mischwälder der gemäßigten Zone bis hinein in die
mediterranen Subtropen mit Hartlaubvegetation - stel-
len Eignungsräume dar. Ob und auf welche Weise diese
tatsächlich landwirtschaftlich genutzt werden, hängt
von der jeweiligen Kombination zahlreicher Faktoren ab
- unter anderem von historisch bedingten Elementen
der Agrarstruktur, der veränderlichen Rolle der Land-
wirtschaft im gesamtwirtschaftlichen, politischen und
 
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