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der - wenn auch unterschiedlich schnell voranschreiten-
den - Verbreitung immer modernerer Produktionstech-
nologien und -techniken die Erträge der Landwirtschaft
der MOEL in den nächsten Jahren sowohl absolut als
auch relativ im Vergleich zum EU-Durchschnitt anhe-
ben werden. Dies muss jedoch noch nicht zwangsläufig
zu einer Angleichung des Lohnniveaus führen. Die
betrieblichen Einkünfte sind aber auch von der nationa-
len und, wie beschrieben, seit dem jeweiligen Beitritts-
datum auch von der EU-Agrarpolitik abhängig. Hierzu
gehören insbesondere die Auswirkungen der angespro-
chenen Teilhabe an den Umverteilungsinstrumentarien
der EU, aber auch der Wettbewerb der Betriebe im Rah-
men eines gemeinsamen Binnenmarktes. Vermutlich
noch entscheidender ist die Frage, wie sich die Opportu-
nitätskosten der Arbeit in der Landwirtschaft im Ver-
gleich zu anderen Sektoren entwickeln werden. Diese
hängen vor allem von der Verfügbarkeit von lukrativen
Einkommensmöglichkeiten außerhalb der Landwirt-
schaft ab. Zudem spielen weitere Rahmenbedingungen
auf nationaler und regionaler Ebene eine wichtige Rolle.
So sind die natürlichen landwirtschaftlichen Produk-
tionsgrundlagen etwa in Estland, der Slowakei, Rumä-
nien und Bulgarien sehr positiv, während dies für weite
Teile Polens, Sloweniens und Tschechiens weniger
zutrifft. Als entscheidender Einflussfaktor gilt weithin
vor allem die beschriebene unterschiedliche Betriebs-
größenstruktur. Insbesondere die tschechische, die slo-
wakische und ungarische Landwirtschaft können ange-
sichts der dort vorherrschenden Großbetriebsstruktur
und der aufgrund von Modernisierungen mittlerweile
verwirklichten Skalenerträgen gerade auch im Vergleich
mit den alten EU-Mitgliedsstaaten als wettbewerbsfähig
eingestuft werden. Auch unterschiedliche Inputkosten
(einschließlich Arbeitskosten) prägen die aktuelle und
zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft.
Hier zeichneten sich in den letzten Jahren besonders
Ungarn, Litauen und Polen als sehr konkurrenzfähig
aus. Inwiefern hingegen neue Trends wie multifunktio-
nale Landwirtschaft, umweltfreundliche und organische
Produktion in Zukunft eine wirklich breitere Bedeutung
in den MOEL spielen werden und ggf. auch Kleinbetrie-
ben Perspektiven aufzeigen, wird sich erst in den näch-
sten Jahren zeigen.
ihrer Bedeutung dar. Zum anderen zeigt er zentrale Wir-
kungsweisen der Europäisierung im Generellen auf.
Europäisierung meint hierbei die Konsequenz aus der
Europäischen Integration: Während Integration politi-
sche Kompetenzen „nach Brüssel“ gibt, so beschreibt
Europäisierung die späteren Konsequenzen auf der
nationalen oder europäischen Ebene (Radaelli 2003).
Dabei wird erstens ersichtlich, dass Europäisierung
kein gleichmäßiger Trend, sondern ein durchaus wech-
selvoller, schwer vorhersehbarer Prozess ist, der nicht
selten mit widersprüchlichen Trends einhergeht und
stark von inhaltlichen und politischen Konflikten ge-
kennzeichnet ist. Dies wird anhand eines Rückblicks auf
die eingesetzten Instrumente für die Agrarpolitik nach-
gezeichnet.
Europäisierung führt zweitens nicht zwingend zur
Angleichung oder Homogenisierung auf kontinentalem
Maßstab: Europäisierung meint zwar häufig Liberalisie-
rung im rechtlichen Sinne, aber die Diversität der euro-
päischen Landwirtschaft in wirtschaftlicher Hinsicht ist
nach wie vor beträchtlich - dies zeigt die europaweite
Kartierung einiger Schlüsselindikatoren und auch der
vorangehende Beitrag zur Agrarwirtschaft der neuen
EU-Mitgliedsländer mit sozialistischer Vergangenheit.
Agrarwirtschaft: ein ganz besonderer
Politikbereich
Agrarwirtschaft war und ist ein besonders sensibler
Bereich, vor allem auf der europäischen Ebene: Kaum
ein anderer Politikbereich schafft es so zuverlässig in die
Medien, wenn politische Weichenstellungen kontrovers
diskutiert werden. Dies liegt zum einen sicher an der
besonderen Anschaulichkeit der Materie - Traktoren als
Straßenblockade, Misthaufen vor Parlamenten oder
Kühe in der politischen Arena (Abb. 5.14) sind medial
besonders wirksam. Vor allem aber ist die Relevanz von
Agrarpolitik sehr unmittelbar ersichtlich. Schließlich
geht es um Nahrungsmittelsicherheit und Grundversor-
gung der Bevölkerung, also um einen denkbar existen-
tiellen Bereich. Dies gilt bis heute - auch beispielsweise
in Deutschland, das ein agrarisches Netto-Importland
ist. Darüber hinaus ist Agrarwirtschaft flächenmäßig
sehr relevant, etwa die Hälfte des Territoriums ist durch
Landwirtschaft geprägt. Schließlich ist die Landwirt-
schaftspoliltik eng mit der Unterstützung von länd-
lichen Räumen verbunden, denen im politischen Pro-
zess eine nicht zu unterschätzende Rolle zukommt. Dies
ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Agrarpolitik
lange Zeit den größten EU-Budgetposten ausgemacht
hat (Weingarten 2010).
Die Europäisierung der Agrarpolitik
Tobias Chilla und Peter Dannenberg
Die Agrarpolitik ist so stark von europäischen Vorgaben
durchdrungen wie kaum ein anderer Politikbereich -
und dies geht zurück auf die Anfänge der Europäischen
Integration. Vor diesem Hintergrund stellt dieser Beitrag
zum einen die EU-Agrarpolitik in ihrem Aufbau und
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