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vom Spielraum der nationalstaatlichen Gesetze be-
stimmt war, hat sich zwischenzeitlich zu einer harmoni-
sierten rechtlichen Grundlage für alle Grenzregionen in
der EU entwickelt (Perkmann 2003, Dühr et al. 2010).
Da die Grenzregionen selbst entscheiden, inwiefern sie
von diesem neuen rechtlichen Rahmenwerk Gebrauch
machen wollen, gibt es jedoch nach wie vor in Europa
eine breite Vielfalt von Kooperationsformen.
Grenzüberschreitende Kooperationsformen werden
häufig als „Labor der Europäischen Integration“ (Knip-
penberg 2004) bezeichnet. Es gibt mittlerweile zahlrei-
che Studien, die zeigen, dass nationalstaatliche Grenzen
in der EU weiterhin beachtliche Barrieren darstellen,
wenn auch weniger im physischen Sinne als bezüglich
wirtschaftlicher, sozialer, rechtlicher und kultureller
Unterschiede zwischen benachbarten Regionen. Dies
erklärt die nach wie vor hohe Relevanz von grenzüber-
schreitender Zusammenarbeit, mit der Lösungen für all-
tägliche Probleme von Grenzgängern gefunden werden
können und durch die die Annäherung verschiedener
Kulturen nachhaltig unterstützt wird.
Sowohl europäische Regionen als auch die Grenz-
regionen haben Zusammenschlüsse gebildet, um ihre
Interessen bei den EU-Institutionen zu vertreten. Im
Jahr 2000 wurde die Anzahl solcher Interessenvertretun-
gen, abhängig von der Definition, auf zwischen 3000
und 10 000 geschätzt (Andersen & Eliassen 2001), wobei
diese teils regional und teils eher thematisch organisiert
sind. Unter den regional organisierten Gruppen können
drei Typen unterschieden werden (Loughlin 1996):
erstens Verbände, die die Position der europäischen Re-
gionen als solche in der EU zu stärken versuchen und die
auch häufig finanziell durch die EU unterstützt werden.
Dazu gehört zum Beispiel die Versammlung der Regio-
nen Europas (VRE; Abb. 4.19), die im Jahr 1985 gegrün-
det wurde, um die Idee des Regionalismus durch Lobby-
arbeit mit der Europäischen Kommission zu verbreiten.
Zweitens gibt es Verbände, die auf Gemeinsamkeiten
ihrer Mitglieder beruhen, wie zum Beispiel die Arbeits-
gemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG), die
1971 gegründet wurde und nunmehr um die 200 Grenz-
regionen vertritt. Andere Beispiele sind METREX, das
für sein Netzwerk von ungefähr 50 europäischen Metro-
polregionen eine Plattform für den Wissens- und Erfah-
rungsaustausch über Ballungsraumfragen anbietet, oder
die Conference of Peripheral Maritime Regions (CPMR),
die seit den 1970er-Jahren besteht und nunmehr 161
periphere und maritime Regionen zu ihren Mitgliedern
zählt. Eine der geographischen Kommissionen der
CPMR, die Atlantic Arc Commission , leistete in den
1990er-Jahren erfolgreiche Lobbyarbeit für EU-Förder-
mittel im Rahmen des INTERREG-IIC-Programms, um
die Kooperation zwischen ihren peripheren Mitgliedsre-
gionen zu stärken. Ein dritter Typus sind Zusammen-
schlüsse von Regionen, die nicht unbedingt geographi-
Abb. 4.19 Die „Erklärung zum Regionalismus in Europa“
(1996) der Versammlung der Regionen Europas (Quelle:
Assembly of European Regions, www.aer.eu).
sche Gemeinsamkeiten aufweisen, sondern ähnliche
Wirtschafts- oder Sozialstrukturen haben und durch
ihre Zusammenarbeit mehr politischen Einfluss in der
EU ausüben möchten. Ein Beispiel für eine solche
Kooperation sind die „Vier Motoren für Europa“ der
Regionen Baden-Württemberg, Katalonien, Lombardei
und Rhône-Alpes. Gegründet im Jahr 1988 wollten die
„Vier Motoren“ ein europäisches Modell demonstrie-
ren, welches auf wirtschaftlich und politisch starken
Regionen beruht, anstelle der traditionellen National-
staaten (Loughlin 1996), ganz im Sinne des politischen
Konzepts eines „Europas der Regionen“.
Die Regionen der europäischen
Regionalpolitik
Obwohl bereits die Römischen Verträge von 1957 eine
europäische Regionalpolitik vorsahen, wurde Struktur-
förderung bis Ende der 1970er-Jahre exklusiv als natio-
nalstaatliche Aufgabe verstanden. Eine gemeinschaftli-
che Regionalpolitik wird erst seit der Gründung des
Europäischen Regionalentwicklungsfonds
(EFRE) im
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