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Abb. 3.31 Atomium im Brüssel als Symbol der Europäischen Atomgemeinschaft (Foto: Lee Bray/flickr.com).
des starken Wirtschaftswachstums in den einzelnen
Nationalstaaten gab es in der unmittelbaren Nachkriegs-
zeit keine weiteren Anreize für eine politische Integra-
tion, die über den Austausch zwischen souveränen Staa-
ten hinausging. Nationale Interessen dominierten damit
eindeutig die Ausgestaltung des europäischen Projektes.
Erst mit wirtschaftlichen Krisenerscheinungen in
vielen Mitgliedsländern der EU ab den 1970er-Jahren
sowie Befürchtungen, dass der europäische Wirtschafts-
raum gegen die wirtschaftlich sehr leistungsfähigen ja-
panischen und US-amerikanischen Ökonomien deut-
lich abfallen würde, konnten Stimmen für qualitativ
neue Integrationsbemühungen an Einfluss gewinnen. Es
wurde gefordert, dass die als verkrustet wahrgenomme-
nen nationalen Wettbewerbs-, Geld- und Sozialpolitiken
durch genuin europäische Politiken abgelöst werden
müssten, um Produktivitätssteigerungen, technologi-
sche Innovationen und Wirtschaftswachstum herzu-
stellen. Ein gemeinsamer Markt und eine partielle
Vergemeinschaftung von Staatsfunktionen wurden als
Antwort auf eine begrenzte Effektivität und Leistungs-
fähigkeit der nationalen Teilräume gesehen. Die Um-
setzung dieser Ziele wurde vom Ausbau von Gemein-
schaftspolitiken (insbesondere Regional- und Struk-
turfonds) begleitet, womit einzelne Regionen und
Nationalstaaten in die Lage versetzt werden sollten, Re-
strukturierungs- und Anpassungslasten zu finanzieren.
Mit dieser Kompensation konnte die Zustimmung zu
EG-binnenmarktbezogenen Umgestaltungen hergestellt
werden.
Europäisierung auf der Basis von
innereuropäischer Konkurrenz
In der Lissabon-Strategie (Europäischer Rat 2000) wur-
den schließlich wirtschaftspolitische Interventionen zu
Gemeinschaftsaufgaben bestimmt. Ziel war die Ertüch-
tigung des europäischen Wirtschaftsraums in einem
Prozess der kompetitiven Liberalisierung. Um einen ge-
meinsamen Markt herzustellen, wurden verschiedene
wirtschaftspolitische Notwendigkeiten formuliert, wo-
zu die Beseitigung nicht tarifärer Handelshemmnisse,
Liberalisierung der Kapitalmärkte, marktförmige Reor-
ganisation öffentlicher Dienstleistungen und Aufgaben,
Vergemeinschaftung der Geld- und Finanzpolitik sowie
die Transformation der sozialen Produktionsbeziehun-
gen gehörten (Bieling 2010).
Die entsprechenden Maßnahmen haben die Qualität
der europäischen Integration grundlegend verändert.
Basierte der Integrationsprozess bis weit in die 1980er-
Jahre auf einem europäischen Staatenbund mit souverä-
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