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rien zur volkswirtschaftlichen Stabilität des Vertrags von
Maastricht zu erfüllen, wurden sie erneut vergrößert.
Das EWS bildete die Basis für den Aufbau des Europä-
ischen Wirtschaftsraums (EWR), der Wirtschafts- und
Währungsunion (WWU ab 1990) und die Vorausset-
zung für die Einführung des Euro.
1981 wurde Griechenland, das bis dahin von einem
Militärregime beherrscht worden war, als Mitglied auf-
genommen. 1986 folgten Spanien und Portugal, die ihre
faschistischen Diktaturen abgeschüttelt hatten. Damit
wurde das Erfolgsrezept der Gemeinschaft wiederholt:
Den neuen Mitgliedern wurde die Eingliederung in
einen auf politische Stabilität und Friedenssicherung
ausgerichteten Verbund ermöglicht. Damit waren zu-
dem beträchtliche wirtschaftliche Chancen verbunden,
die durch die Wirtschaftsleistungen der bisherigen Mit-
glieder offensichtlich eindrucksvoll belegt wurden.
Allerdings bestanden von Anfang an Zweifel, ob die gro-
ßen Unterschiede bezüglich des BIP und der große
strukturelle Nachholbedarf tatsächlich aufzuholen sein
würden oder geringere regionale Wettbewerbsfähigkeit
nicht mindestens für eine längere Zeit sogar in eine
polarisierende Entwicklung münden müssten, wes-
wegen besondere Leistungen der Regionalpolitik not-
wendig sein würden. Die demokratische Stabilisierung
der drei Länder und eine rasche Anbindung ihrer Öko-
nomien an die der übrigen Mitglieder schienen das
Rezept jedenfalls zunächst zu bestätigen (Kapitel 4).
Und zugleich belebten die mit der Aufnahme der drei
neuen Mitglieder notwendig gewordenen Reformen die
Bemühungen um eine Vertiefung der Integration durch
die Realisierung der vier Grundfreiheiten (Freizügigkeit
von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital),
die in den Vertrag von Maastricht 1992 einflossen. Die-
ser Vertrag setzte um, was mit der Einheitlichen Euro-
päischen Akte 6 Jahre zuvor begonnen wurde: eine ge-
steigerte Effizienz der Entscheidungsfindung im
Ministerrat durch die Einführung qualifizierter Mehr-
heiten und eine erhöhte Legitimation im Gesetzge-
bungsprozess, indem das Parlament seitdem sehr viel
enger mit dem Ministerrat zusammenarbeitet. Außer-
dem wurden bislang nationale Kompetenzen, zum Bei-
spiel in der Umweltpolitik oder im Bereich Forschung
und Entwicklung an die Europäische Gemeinschaft
überwiesen. Dieser supranationalen Steuerung wurden
die Grundlagen für eine Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik (GASP) und die polizeiliche und jus-
tizielle Zusammenarbeit zur Seite gestellt. Diese beiden
Felder Europäischer Politik werden allerdings intergou-
vernemental gestaltet, das heißt, die Mitgliedsstaaten
agieren souverän und fällen die notwendigen Entschei-
dungen einstimmig im Rahmen der jeweiligen Organi-
sation. Mit dem Vertrag von Lissabon 2007/2009, der die
Europäische Gemeinschaft mit der Europäischen Union
vereinigte, gaben die Mitgliedsstaaten dann auch die
polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsa-
chen an die suprastaatliche Steuerung durch die EU ab.
Die Osterweiterung der EU nach 1990
Mit dem Zusammenbrechen der sozialistischen Plan-
wirtschaften und der zugehörigen Bündnissysteme, die
wesentlich von der Sowjetunion gelenkt worden waren,
entstand 1989 bis 1991 im östlichen Europa eine geopo-
litisch unklare Lage, die nahelegte, die Erfahrungen der
Europäischen Gemeinschaft aus der Süderweiterung zu
wiederholen: Den neuerdings unabhängigen Staaten
sollte eine Beitrittsperspektive geboten werden, die zum
Frieden, zur politischen und wirtschaftlichen Stabilität
in ganz Europa beitragen sollte (Abb. 3.27b).
Dazu wurde mit den sogenannten Kopenhagener
Kriterien 1993 ein Wertekatalog aufgestellt, den die Bei-
trittskandidaten erfüllen sollten, um vollwertige Mit-
glieder der Gemeinschaft sein zu können. Er beinhaltet
politische Kriterien (z. B. Rechtsstaatlichkeit und insti-
tutionelle Stabilität, Wahrung der Bürger- und Men-
schenrechte, Schutz von Minderheiten, Unabhängigkeit
politischer Parteien, Korruptionsbekämpfung) und
wirtschaftliche Kriterien (funktionierende Marktwirt-
schaft, Offenheit der Märkte für den Außenhandel, eine
Volkswirtschaft, die so leistungsfähig ist, dass sie aktiv
am Wettbewerb der übrigen EU-Mitglieder teilnehmen
kann) sowie den Acquis, das heißt die Fähigkeit bzw. den
Willen, den rechtlichen Besitzstand der EU zu überneh-
men und aktiv für ihn einzutreten. Letzteres bedeutet
auch, dass einmal erreichte Zustände rechtlicher Zu-
sammenarbeit unter den Mitgliedern anlässlich des Bei-
tritts neuer Kandidaten nicht zur Disposition gestellt
oder verhandelt werden dürfen. Allerdings zeigte sich im
Laufe der Verhandlungen mit den Staaten, die 2004 bei-
traten, dass einzelne Mitgliedsländer Ausnahmeregelun-
gen hinsichtlich der Grundfreiheiten, die im Vertrag von
Maastricht festgehalten worden waren, aushandelten:
Dazu gehörte etwa die Regulierung von Arbeitserlaub-
nissen, welche die Arbeitnehmerfreizügigkeit der Bürger
aus den mittelosteuropäischen Ländern einschränkt.
Davon machten Deutschland und Österreich vollen Ge-
brauch für eine Übergangsfrist von 2004 bis 2011,
andere Staaten wie Frankreich und Dänemark wendeten
die Ausnahmeregelung teilweise an, während Großbri-
tannien, Irland und Schweden volle Freizügigkeit ge-
währten (Kapitel 4).
Die Osterweiterung der Europäischen Union selbst
wird meist mit dem Beitritt von zehn Staaten 2004
gleichgesetzt. Dabei wird dann übersehen, dass bereits
1990 mit der deutsch-deutschen Vereinigung ein ehema-
liger Staat des RGW und des Warschauer Pakts, die
DDR, in Gestalt von fünf neuen Bundesländern der
Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist. Dem Bei-
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